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Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzer Mond über Soho: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ben Aaronovitch
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Gemeinschaftsräume. Irgendwas an dem Konzept, einen Haufen Leute wie in Eierkartons aufeinanderzustapeln, scheint in Architekten und Stadtplanern den Glauben zu nähren, ein paar Räumlichkeiten für die gemeinsame Nutzung könnten zum Beispiel das Bedürfnis nach einem Garten kompensieren oder das nach etwas Luft zum Atmen. Vielleicht malen sie sich glücklich aus, wie die Bewohner des Wohnblocks sich spontan zu fröhlichen proletarischen Festen oder einfach nur zum gemeinschaftlichen Atmen versammeln. In Wahrheit werden solche Räume im Allgemeinen für zwei Zwecke genutzt: Kindergeburtstage und Mieterversammlungen. An diesem Nachmittag würden wir an den Grundfesten dieser Regel rütteln und stattdessen eine Jazzprobe abhalten.
    Als Schlagzeuger war James derjenige mit dem Van   – ein gebührend altersschwacher Ford Transit, den man offen mit Schlüssel im Zündschloss und einem Schild NIMM MICH MIT im Fenster hätte abstellen können, ohneAngst haben zu müssen, dass er später vielleicht nicht mehr da sein würde. Als ich ihm half, das Schlagzeug in den Probenraum zu schleppen, erklärte er mir, dass das volle Absicht war. »Ich komme aus Glasgow. In puncto Wertsachen und persönliche Sicherheit kann mir London gar nichts erzählen.«
    Wir mussten noch dreimal gehen, um alle Verstärker und Lautsprecher zu holen, und da gerade die Schule aus war, zogen wir ein Publikum aus jugendlichen Möchtegern-Rabauken an. In Glasgow waren die Rabauken wohl beeindruckender, denn James würdigte sie keines Blickes. Ich sah aber, dass Daniel und Max sich unwohl fühlten. Niemand kann so neugierig-feindselig blicken wie eine Bande Dreizehnjähriger, die keine Lust haben, sich an ihre Hausaufgaben zu setzen. Ein dünnes Mädchen gemischter Herkunft legte den Kopf schief und fragte, ob wir in einer Band seien.
    »Wonach sieht’s denn aus?«, fragte ich.
    »Und was macht ihr für Musik?«, fragte sie. Sie hatte ein Gefolge kleiner Freundinnen, die wie auf Kommando loskicherten. Ich war mit ihren älteren Geschwistern zur Schule gegangen   – sie kannten mich, aber heute war ich trotzdem Freiwild.
    »Jazz«, sagte ich. »Das mögt ihr nicht.«
    »Ach«, gab sie zurück. »Swing, Latin oder Fusion?«
    Das Gefolge lachte und feixte gebührend. Ich sah die Kleine streng an, aber das machte ihr gar nichts aus. »Wir hatten letztes Jahr Jazz in Musik.«
    »Ich glaube, deine Mum wartet auf dich.«
    »Nö«, widersprach sie. »Können wir kommen und zugucken?«
    »Nein.«
    »Wir sind auch still.«
    »Nein, seid ihr nicht.«
    »Woher willst du das wissen?«
    »Ich kann in die Zukunft sehen.«
    »Kannst du nicht.«
    »Wieso nicht?«
    »Weil das die Kaudalität zerstören würde.«
    »Daran ist
Doctor Who
schuld, da bin ich sicher«, sagte James.
    »Kausalität«, verbesserte ich.
    »Mir doch wurscht. Können wir jetzt zugucken?«
    Also ließ ich sie mitkommen. Sie blieben länger, als ich erwartet hätte   – ganze zwei Minuten von
Airegin
.
    »Das ist doch dein Dad, oder?«, sagte sie hilfsbereit, als mein Dad auf der Szene erschien. »Ich wusste gar nicht, dass der spielt.«
    Es war seltsam, mit anzusehen, wie mein Dad sich hinsetzte, um in einem Ensemble Keyboard zu spielen. Ich hatte ihn nie live spielen sehen, aber meine Erinnerung war voller Schwarzweißfotos, auf denen er seine Trompete in der Hand hatte. Immer hielt er sie möglichst genau wie Miles Davis, wie eine Waffe, wie ein Gewehr bei der Parade. Aber er konnte auch Keyboard spielen. Selbst ich merkte das. Trotzdem kam es mir einfach wie das falsche Instrument vor. Es störte mich die ganze Probe über, ohne dass ich hätte sagen können, warum.
     
    Nach der Session hatte ich gedacht, wir würden alle noch im Pineapple an der Leverton Street einen trinken gehen, aber meine Mum lud uns in die Wohnung ein. Auf derTreppe stellte sich mir das vorlaute Gör aus der Probe in den Weg. Diesmal ohne ihre Rasselbande.
    »Ich hab gehört, du kannst zaubern.«
    »Woher hast du denn so was?«
    »Ich hab meine Quellen. Und, stimmt’s?«
    »Ja«, sagte ich, weil manchmal die Wahrheit Kinder schneller zum Verstummen bringt als eine Ohrfeige und außerdem den Vorteil hat, dass sie nicht als Gewalt gegen Minderjährige gilt. »Ich kann zaubern. Und?«
    »Ganz echt?«, bohrte sie. »Keine Tricks und so?«
    »Ganz echt.«
    »Bring’s mir bei.«
    »Hör zu«, sagte ich. »Du lernst Latein, machst das Latinum, und ich bring dir das Zaubern bei.«
    »Okay.« Sie streckte mir die Hand

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