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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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bewusst, dass der Schrecken der Ereignisse von Karlsruhe damit kaum gelindert werden kann. Unserem Land ist heute eine fürchterliche Wunde zugefügt worden, die nur langsam heilen wird. Wir alle müssen nun zusammenstehen und tun, was wir können, um denen, die unmittelbar betroffen sind, zu helfen. Ich bitte daher alle Mitbürgerinnen und Mitbürger, freiwillig Blut zu spenden. Die nächste Blutspendestelle des Roten Kreuzes finden Sie im Internet unter der unten angegebenen Adresse, oder Sie können sie bei der eingeblendeten Telefon-Hotline erfragen. Wenn Sie sich in der Lage sehen, Menschen, die obdachlos geworden sind, eine vorübergehende Unterkunft anzubieten, können Sie sich ebenfalls dort melden. Geldspenden für die Opfer nehmen alle Hilfsorganisationen unter dem Stichwort ›Karlsruhe‹ entgegen.«
    Der Kanzler richtete sich ein Stück auf, und seine Stimme wurde fester. »Meine Damen und Herren, diejenigen, die unsere freiheitliche, demokratische Verfassung mit Terror bekämpfen wollen, haben unsagbares Leid über viele Menschen gebracht. Sie haben einen feigen Anschlag gegen das Herz der deutschen Demokratie geführt. Doch sie können uns unsere Einigkeit, unser Recht, unsere Freiheit niemals nehmen! Ich danke Ihnen.«
    »Mach bitte den Fernseher aus«, sagte Nora. »Ich ertrage das nicht mehr.« Sie begann zu weinen.
    Fabienne setzte sich neben sie auf die Couch und nahm ihre Freundin in den Arm.
    »Was ist bloß mit dieser Welt los?«, schluchzte Nora.
    Fabienne sagte nichts. Sie kämpfte selbst mit den Tränen. Die Bilder ließen sie nicht mehr los: Kinder, denen die |158| verbrannte Haut in Fetzen herabhing, Hunderte Leichen, die den Rhein hinabtrieben, weinende Helfer. Szenen, die sie aus Dokumentationen über die verheerenden Bürgerkriege in der Dritten Welt kannte, doch jetzt kamen sie mitten aus Deutschland. Und über allem diese schreckliche Wolke, die man noch aus Hunderten Kilometern Entfernung erkennen konnte und die mit nichts vergleichbar war, was Fabienne je gesehen hatte.
    Das also war es, wovor die Karten sie gewarnt hatten.
    »Ich habe Angst«, sagte Nora. Sie sprach gedämpft. Die Kinder schliefen noch nicht – sie saßen nebenan in Yvonnes Zimmer und guckten eine Zeichentrick-DVD.
    »Angst? Vor der Radioaktivität?«
    Nora schüttelte langsam den Kopf. »Angst vor dem, was daraus wird.«
    »Wie meinst du das?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Ich kann nicht mehr klar denken. Ich will auch nicht darüber nachdenken. Ich habe einfach nur Angst.«
    Fabienne stand auf. »Ich mache uns einen Beruhigungstee.« Sie ging in die Küche, bemüht, ihrer Freundin und sich selbst Halt zu geben.
    Die Karten hatten ihr in erschreckender Deutlichkeit gezeigt, was geschehen würde. Wenn sie es doch nur klarer gesehen hätte! Wenn sie doch nur besser zugehört hätte! Aber sie hatte geglaubt zu verstehen, war sicher gewesen, dass die Karten ihr etwas über Yvonnes Schicksal verraten wollten. Dabei hatte sie die ganze Zeit irgendwie gespürt, dass die Botschaft des Tarot nichts mit Yvis Verschwinden zu tun hatte. Immer wieder waren ihr die schrecklichen Bilder des elften September in den Kopf gekommen, untrennbar verknüpft mit der Karte des Turms. Sie erinnerte sich noch, dass sie dabei das seltsame Gefühl gehabt hatte, nicht in die Vergangenheit zu sehen, sondern in die Zukunft.
    |159| Doch sie hatte die Warnung ignoriert. Als Noras Tochter kurz darauf wohlbehalten zurückgekehrt war, hatte sie sogar gedacht, die Karten hätten sie getäuscht. Sie hatte sich über ihre eigene Naivität und Leichtgläubigkeit geärgert und das Spiel wieder in der untersten Schublade ihrer Schlafzimmerkommode verstaut.
    Die Worte ihrer Großmutter klangen mahnend in ihren Ohren: Es sind nie die Karten, die uns täuschen. Es sind immer wir selbst.
    Sie wusste, es hatte keinen Sinn, sich Vorwürfe zu machen. Sie hätte die Katastrophe ohnehin nicht verhindern können – dazu war die Warnung viel zu nebulös gewesen. Hätte sie zur Polizei gehen sollen und sagen, sie wisse, dass bald etwas Schreckliches passiere, aber nicht, was, wann und wo? Man hätte sie ausgelacht. Trotzdem wurde sie das Gefühl nicht los, einen schlimmen Fehler gemacht zu haben.
    Sie kehrte mit zwei Tassen Tee ins Wohnzimmer zurück. Nora hatte den Fernseher wieder eingeschaltet, offenbar hin- und hergerissen zwischen ihrem Entsetzen und dem Drang zu wissen, was geschehen war. Ein nervöser Moderator redete mit einem ranghohen

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