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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Olsberg
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an den Wartenden vorbeizuschieben. »Ich bin radioaktiv verseucht! Ich …«
    Sie stockte, als sie die Frau vor sich in der Schlange betrachtete. Auch sie war von oben bis unten schwarz, doch es war nicht nur radioaktiver Regen, der sie so aussehen ließ. Ihr Gesicht war mit dicken, eitrigen Blasen übersät, ihr eines Auge zugeschwollen. Ihre Kleidung war zerfetzt.
    Die Frau schien sich kaum auf den Beinen halten zu können. Sie sah Faller an, dann schwankte sie plötzlich und kippte vornüber.
    Fallers erster Impuls war es, angewidert zur Seite zu springen. Doch stattdessen breitete sie die Arme aus und fing die Frau auf. »Verdammt! Helfen Sie mir! Die Frau hier braucht Hilfe!«, rief sie.
    Ein Arzt, der neben dem Zelteingang stand und die Menschen begutachtete, sah zu ihr herüber. Er kam herbeigelaufen. »Kommen Sie, helfen Sie mir, sie ins Zelt zu tragen«, sagte er. Er fasste die Frau unter die Achselhöhlen, während Faller ihre Beine griff. Gemeinsam schleppten sie sie ins Aufnahmezelt und legten sie auf eine Trage.
    Der Arzt untersuchte sie. Er schüttelte den Kopf. »Verdammt«, |163| sagte er nur. »Verdammt!« Er versuchte, die Frau nach ihrem Namen zu fragen, doch sie war bewusstlos. Er bedeutete zwei Helfern in olivgrüner Militärkleidung, sie wegzubringen. Dann sah er Faller an. »Sind Sie verletzt?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Faller. »Aber … dieses schwarze Zeug …«
    Der Arzt nickte. Er notierte sich Name und Adresse, dann schickte er sie zu einem Zelt, auf dem in großen schwarzen Buchstaben »Dekontamination« stand. Sie musste sich ausziehen. Ihre Kleidung und Schuhe wurden in einen weißen Plastiksack gesteckt, dann duschte sie in einer engen Kabine mit einer bläulichen Flüssigkeit. Sie reinigte ihren Körper sehr gründlich, wie sie eine ältere Helferin mit strenger Kommandostimme angewiesen hatte. Dann bekam sie frische Kleidung: Slip und Unterhemd aus weißer Baumwolle, darüber eine Art hellgrünen Schlafanzug, der ihr viel zu weit war. An den Füßen trug sie Plastiksandalen.
    Sie bekam zwei große, schwer zu schluckende Tabletten. Dann wies man ihr ein Feldbett in einem der großen Mannschaftszelte zu, die in ordentlichen Reihen auf einem großen Areal aufgebaut waren. Faller überlegte, ob sie das Angebot ablehnen und lieber in ihrem Mietwagen schlafen sollte. Doch die Sorge, dass sie stark verstrahlt worden war und ärztliche Hilfe brauchen könnte, war stärker als der Ekel davor, in einem Zelt voller stöhnender, sterbender Menschen zu übernachten. Ihr wurde klar, dass sie nicht mehr, wie sonst, nur eine unbeteiligte Journalistin war. Sie war jetzt ein Teil des Geschehens, ein Opfer der Katastrophe.
    Lange lag sie wach. Es war nicht das permanente Dröhnen der Hubschrauber, die immer neue Opfer brachten, das sie am Einschlafen hinderte. Auch das leise Stöhnen und Jammern der Verwundeten, die größtenteils starke Schmerzmittel bekommen hatten, war nicht der Grund. Es war Angst – kalte, würgende Angst.

|164| 36.
    Die Sonne war bereits aufgegangen, als Lennard Ettlingen erreichte. Es würde ein wunderschöner, klarer Sommertag werden, genau wie gestern.
    In der Nacht, als er nördlich von Stuttgart im Stau steckte, hatte es geregnet. Es war ein schrecklicher Regen – dick und schwarz und klebrig, so dass die Frontscheibe des grauen Golf immer noch ganz schmierig war.
    Er hatte kaum nach Ettlingen vordringen können. Die meisten Straßen und Autobahnen um Karlsruhe waren gesperrt, und es herrschte ein unbeschreibliches Verkehrschaos. Die Flüchtenden mischten sich mit denjenigen, die wie Lennard aus Sorge um Angehörige oder vielleicht auch aus Sensationsgier versuchten, zum Ort der Katastrophe zu gelangen. Es schien, als sei ganz Deutschland in dieser Nacht auf der Straße unterwegs. So hatte er die Stadt im weiten Umkreis umfahren und war über Würzburg und Stuttgart schließlich von Süden her vorgedrungen.
    Als er sich der Kleinstadt südlich von Karlsruhe genähert hatte, waren die ersten Auswirkungen der Katastrophe zu erkennen gewesen. Scheiben waren zersplittert, Bäume umgeknickt, Dachpfannen von den Häusern gerissen. In einem Dach steckte ein verkohlter Balken, der von außen durch die Ziegel gebrochen war wie der Speer eines Riesen. Er musste kilometerweit durch die Luft geschleudert worden sein.
    Nun stand Lennard an einer Polizeikontrolle, die die südwestliche Einfallstraße in den Ort blockierte. »Es tut mir leid, aber Sie können hier nicht durch«,

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