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Schwarzer Regen

Schwarzer Regen

Titel: Schwarzer Regen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Masuji Ibuse
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heute früh einen Anruf von zu Hause aus Ishimi;
mein Vater hat einen Schlaganfall gehabt, ich muß morgen früh hinfahren. Dr.
Moriya ist bereit, meine Patienten zu übernehmen, also machen Sie sich keine
Sorge.“
    Ich kann mir nicht helfen, aber ich bin ziemlich
erschrocken. Erinnere mich an ein Gerücht, das sich lange hielt, Dr. Moriya
hätte mit Dr. Kajita nicht auf gutem Fuße gestanden.
    „Aber Sie gehen doch bestimmt nicht für immer
nach Ishimi zurück, Herr Doktor?“ frage ich.
    „Aber nein, warum auch! Es soll ein leichter
Schlaganfall gewesen sein. Ich will nur einmal nach dem Kranken sehen.“
    „Lieber Herr Doktor, ich kann mir nicht helfen,
aber ich komme mir irgendwie verlassen vor...“
    Da kommt gerade mein Mann vom Teich zurück, und
wir begleiten beide den Doktor bis oben zur Anhöhe. Er braust mit seinem
Motorrad den Hügel hinab und entschwindet unseren Blicken.
    Abends 37,5. Frische Schalotten, salzig
eingelegt, Salat, gedünsteter Fisch, Fleischkroketten, zwei Schalen Reis,
Tomate.
    Der Abend ist heiß und schwül; wir, auch Yasuko,
tragen Bänke unter die Kemponashi-Bäume und genießen die kühle Luft draußen.
Wir essen eingesalzene Sojabohnen und plaudern über dies und das.
    Der alte Takizo von Shokichis, er ist schon
neunundachtzig, bringt drei Aale für Yasuko; übermorgen, sagt er, sei der
schlimmste der Hundstage, und da solle jeder Aale essen, um sich bei Kräften zu
halten. Wir sitzen mit ihm auf der Bank und schwatzen belangloses Zeug. Er ist
taktvoll und vermeidet jegliches Gespräch über Krankheit. Im Gegenteil, er
kramt alte Traditionen des Ortes aus und erzählt verschiedene phantastische
Geschichten. Er spricht sehr salbungsvoll und mit Nachdruck, und Yasuko lacht
viel. Der alte Mann bleibt vollkommen ernst, und das macht es doppelt spaßig.
    „Vor langen Zeiten“, erzählt er, „als mein
Großvater noch ein junger Bursche war, saßen sie einmal auf einer Bank unter
ebendiesem Kemponashi-Baum, und, was soll ich Ihnen sagen, kommt doch da ein
gerissener alter Dachs heran, frißt die Krumen auf, die die Menschen haben
fallen lassen, schiebt den Kopf unter dem Sitz durch und blickt sie an. Ja, das
waren Zeiten damals. Vor vielen, vielen Jahren“, geht es weiter, „als mein
Großvater noch ein junger Bursche war, gab es drüben bei Ogata in Kobatake
einen Mann namens Yoichi, der war sehr gut zu seinen Eltern. In allen Dörfern
der Umgebung sprach man von seiner Sohnesliebe, auch Reisende wußten von ihm, und
selbst die Nattern, die die Menschen beißen, hatten von ihm gehört und
gebührenden Respekt vor ihm. Diese Schlangen bissen mit Vorliebe Reisende, und
so kam es vor, daß ein Wanderer, wenn er eine Schlange sah, sagte: ,Mein Name ist Yoichi von Ogata! Ich bin Yoichi von Ogata!’
Und wenn er das dreimal wiederholt hatte, neigte die Natter den Kopf und
schlängelte sich ihm schnell aus dem Weg. So lebten sie von da an alle sicher
und zufrieden! Als mein alter Großvater noch ein junger Bursche war, vor
vielen, vielen Jahren“, begann er wieder, „fing einmal ein Jäger einen Hirsch auf
dem Heimweg verfolgte ihn ein Grauwolf und schlich ihm in seiner Wolfsgestalt
nach. Als sich der Jäger umdrehte und hinter sich blickte, sprang er ihn an und
vergrub seine Fänge in ihn. Aber der Jäger überlistete das Biest. In seinem
Beutel hatte er noch etwas Salz, und ihr wißt ja, wie sehr unlautere Geister
Salz verabscheuen. Also verstreute er um sich herum Salz und kam auf diese
Weise schließlich doch sicher und gesund nach Hause. Ja, das waren noch Zeiten,
Zeiten waren das...“
     
    28. Juli. Schön und sonnig.
    Um Mittag herum ein Regenschauer, dann wieder
sonnig. Gleich nach dem Aufstehen geht mein Mann zu Dr. Kajita, um die
Medikamente zu bezahlen und ein Abschiedsgeschenk hinzubringen. Als er
zurückkommt, meint er, daß es so aussähe, als habe der Doktor sich
entschlossen, nicht wieder nach Kobatake zurückzukehren. Ich hatte es sofort
vermutet, als ich Shigematsus blasses Gesicht und seinen schweren Atem
bemerkte.
    Der Kranken geht es gut, Temperatur 37. Zum
Frühstück: Mio-Suppe mit Taro, Schalotten, Ei, Essiggemüse und zwei Schalen
Reis.
    Der dritte Abszeß geht auf. Sie trägt die Salbe
selbst auf.
    Wir diskutieren alle drei, zu welchem Arzt wir
gehen sollen, kommen aber zu keinem Ergebnis. Am Ende seiner Weisheit, holt
mein Mann unter anderem sogar ein Wahrsagebuch hervor, beläßt es aber beim
bloßen Umblättern der Seiten. Schließlich meinen wir, Yasuko

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