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Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
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aufsuchten.«
    »Inwiefern?«
    »Nun, er hat mir …
geraten,
mich näher mit den Selbstmördern zu befassen.«
    Der Kommissar sah ihn mit unverhohlener Verblüffung an.
    »Wollen Sie damit sagen, dass Ihnen dieser Hirtmann sagt, wie Sie die Ermittlungen führen sollen?«
    Servaz runzelte die Stirn.
    »Das wäre etwas allzu vereinfachend dargestellt.«
    »Allzu vereinfachend?«
 – Vilmer sprach lauter. – »Ich habe den Eindruck, dass Sie sich bei diesen Ermittlungen verzetteln, Commandant! Sie haben doch die DNA von Hirtmann, oder? Was brauchen Sie mehr? Da er das Institut nicht ohne fremde Hilfe verlassen konnte, muss er dort einen Komplizen haben. Finden Sie ihn!«
    Wunderbar, wie einfach alles zu sein scheint, wenn man es aus der Distanz betrachtet, die Details weglässt und keine Ahnung von nichts hat,
sagte sich Servaz. Aber im Grunde hatte Vilmer recht.
    »Was für eine Spur haben Sie?«
    »Vor einigen Jahren wurde wegen Erpressung … wegen sexueller Erpressung Anzeige gegen Grimm und Perrault erstattet.«
    »Und?«
    »Das war bestimmt nicht ihr erster Versuch. Es ist sogar möglich, dass sie bei anderen Frauen weiter gegangen sind. Oder bei Jugendlichen … Das könnte das Motiv sein, nach dem wir suchen.«
    Servaz wusste, dass er sich auf unsicheres Terrain begab, denn er hatte kaum etwas Konkretes in der Hand – aber es war ein bisschen zu spät, um den Rückwärtsgang einzulegen.
    »Rache?«
    »Etwas in der Art.«
    Ein Poster hinter Vilmer zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Pissoir. Servaz erkannte es wieder: Marcel Duchamp. Die Dada-Ausstellung im Centre Georges-Pompidou 2006 . Ein regelrechter Blickfang. Wie um den Besuchern zu zeigen, dass der Mann, der hier arbeitete, gebildet, kunstsinnig und humorvoll war.
    Der Kommissar dachte kurz nach.
    »Und wo ist die Verbindung zu Lombards Pferd?«
    Servaz zögerte.
    »Nun, wenn wir von der Hypothese eines Racheaktes ausgehen, dann steht zu vermuten, dass diese Leute – die Opfer – etwas sehr Übles auf dem Kerbholz haben«, sagte er in den Worten, die Alexandra benutzt hatte. »Und vor allem, dass sie es gemeinsam getan haben. Und bei Lombard haben sich der oder die Mörder sein Pferd vorgeknöpft, weil sie ihn nicht direkt treffen konnten.«
    Vilmer war plötzlich erbleicht.
    »Sagen Sie mir nicht … Sagen Sie mir nicht … dass Sie Eric Lombard verdächtigen, ebenfalls …«
    »Minderjährige sexuell missbraucht zu haben«,
half ihm Servaz auf die Sprünge, wobei er sich durchaus bewusst war, dass er etwas zu weit ging – aber die Angst, die er einen Moment lang in den Augen seines Chefs las, wirkte auf ihn wie ein Aphrodisiakum. »Nein, im Augenblick nicht. Aber es gibt zwangsläufig einen Zusammenhang zwischen ihm und den anderen, eine Verbindung, die ihn bei den Opfern einreihte.«
    Eines war ihm immerhin gelungen: Er hatte Vilmer das Maul gestopft.
     
    Als Servaz aus dem Gebäude der Kripo herauskam, schlenderte er Richtung Altstadt. Er hatte keine Lust, nach Hause zu gehen. Nicht sofort. Er wollte die Anspannung und die Wut loswerden, die Typen wie Vilmer in ihm hervorriefen. Es regnete leicht, und er hatte keinen Schirm, aber er begrüßte diesen Regen wie einen Segen. Es schien ihm, als würde er den Unrat von ihm abwaschen, in dem er seit mehreren Tagen badete.
    Unwillkürlich trugen ihn seine Schritte zur Rue du Taur, und er fand sich vor der hellerleuchteten, gläsernen Eingangstür von Charlène’s wieder, der Kunstgalerie, die die Frau seines Stellvertreters leitete. Die schlauchförmige Galerie erstreckte sich über zwei Stockwerke, deren moderne weiße Inneneinrichtung durch die großen Glasfenster sichtbar war und einen Kontrast bildete zu den alten rosa Ziegelfassaden der Nachbarhäuser. Im Innern war ziemlich viel los.
Eine Vernissage.
Er wollte sich gerade verdrücken, als er im Aufsehen Charlène Espérandieu sah, die ihm von der ersten Etage aus zuwinkte. Widerwillig betrat er den langgestreckten Raum – triefende Kleidung und nasse Haare, durchgeweichte Schuhe, die quietschten und feuchte Spuren auf dem hellen Holzboden zurückließen –, trotzdem zog er weniger Blicke auf sich, als er befürchtet hatte. All diese Gesichter kultivierten Extravaganz, Modernität und geistige Aufgeschlossenheit, zumindest glaubten sie es. An der Oberfläche waren sie offen und modern, aber wie sah es in der Tiefe aus? Ein Konformismus jagt den nächsten, dachte er. Er steuerte auf die eiserne Wendeltreppe im hinteren Teil

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