Schwarzer Schmetterling
und die Papiere, die er auf einem Friedhof in den französischen Alpen nahe der Schweizer Grenze versteckt hatte. Ein amüsantes Detail: Das Geld, hunderttausend Schweizer Franken in Hunderter- und Zweihunderterscheinen, und die gefälschten Papiere befanden sich in einer wasserdichten Kühlbox, die er wiederum im Sarg der Mutter eines seiner Opfer versteckt hatte – von dem Sarg und dem Friedhof hatte ihm das Opfer erzählt, bevor er es umgebracht hatte. Mit diesem Geld würde er einen Schönheitschirurgen bezahlen, der ehedem bei seinen »Genfer Partys« mit dabei gewesen war und den er im Verlauf seines Prozesses wohlweislich nicht hatte hochgehen lassen – in einem anderen Versteck verwahrte Hirtmann ein paar Videos, die dem Ruf des Arztes überaus abträglich wären. Während er sich in der Klinik des tüchtigen Doktors in einer Luxussuite mit Mittelmeerblick mit verbundenem Kopf von den Folgen des Eingriffs erholte, würde er eine Hi-Fi-Anlage ordern, um seinen geliebten Mahler zu hören, und zur Verschönerung der Nächte ein Callgirl mit Spezialausbildung.
Plötzlich verlosch sein verträumtes Lächeln. Mit einer Grimasse führte er eine Hand an die Stirn. DIESE VERFLUCHTEN MEDIKAMENTE verursachten SCHRECKLICHE MIGRÄNEANFÄLLE . Dieser Idiot von Xavier und ALL DIESE BESCHEUERTEN PSYCHOS … Alles die gleichen Kurpfuscher!
Er spürte, wie die Wut in ihm aufstieg. Der Zorn bahnte sich einen Weg durch sein Gehirn und schaltete nach und nach jeden vernünftigen Gedanken aus, so dass nur noch eine Wolke aus schwarzer Tinte übrig blieb, die sich im Ozean seiner Gedanken ausbreitete, eine gefräßige Muräne, die aus ihrem Unterschlupf hervorschoss und seinen klaren Verstand wegfraß. Er hätte am liebsten mit der Faust gegen die Wand geschlagen – oder jemandem weh getan. Er knirschte mit den Zähnen und rollte den Kopf stöhnend und wimmernd in alle Richtungen. Dann beruhigte er sich endlich wieder. Manchmal fiel es ihm unglaublich schwer, sich zu kontrollieren – aber er hatte ja seine Disziplin. Im Laufe seiner verschiedenen Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken hatte er Monate damit verbracht, die Bücher dieser bescheuerten Psychiater zu lesen, hatte ihre kleinen Taschenspielertricks, ihre Zauberkniffe gelernt, er hatte in seiner Zelle geübt und geübt und geübt, wie es nur ein Besessener konnte. Er kannte ihre größte Schwäche: Es gab nicht einen Psychiater auf der Welt, der eine hohe Meinung von sich selbst hatte. Allerdings gab es einen, der seine Spielchen durchschaut und ihm seine Bücher weggenommen hatte. Einer unter den Dutzenden, denen er begegnet war.
Plötzlich durchbohrte ihm ein schrilles Geräusch die Ohren. Er setzte sich auf. Das Heulen der Sirene im Gang war ohrenbetäubend. Ihre markerschütternden Schallpfeile taten ihm im Trommelfell weh und verstärkten noch seine Migräne.
Er hatte kaum Zeit, sich zu fragen, was da los war, als auch schon das Licht erlosch. Er fand sich im Halbdunkel wieder, durchbrochen nur durch den grauen Schimmer des Fensters und ein oranges Licht, das in regelmäßigen Abständen durch das runde Sichtfenster in der Tür fiel.
Feueralarm!
Sein Herz beschleunigte auf hundertsechzig Schläge pro Minute. Ein Brand im Institut! Das war vielleicht die Gelegenheit: jetzt oder nie …
Plötzlich öffnete sich die Zellentür, und in höchster Eile trat Lisa Ferney ein, ihre Silhouette war im grellorangen Licht, das durch die Tür fiel, nicht mehr als ein schwarzer Scherenschnitt.
Sie hatte eine Fleecejacke, einen weißen Kittel, eine weiße Hose und ein Paar hohe Stiefel in der Hand. Die Sachen warf sie ihm zu.
»Zieh dich an. Schnell!«
Sie legte auch eine Rauchschutzmaske mit Gesichtsfilter und Plexiglasbrille auf den Tisch.
»Das hier auch. Beeil dich!«
»Was ist da los?«, sagte er, während er sich die Kleider rasch überstreifte. »Gibt’s Probleme? Ihr braucht jemanden zur Ablenkung, stimmt’s?«
»Du hast nie daran geglaubt, oder?«, sagte sie lächelnd. »Du hast das gemacht, weil es dich amüsiert hat. Du hast gedacht, ich würde meinen Teil der Abmachung nicht einhalten.« Sie starrte ihn an, ohne mit der Wimper zu zucken; Lisa war eine der wenigen Personen, die dazu imstande waren. »Was hattest du für mich vorgesehen, Julian? Um mich zu bestrafen?«
Sie warf einen Blick durchs Fenster.
»Gib Gas!«, sagte sie. »Wir haben nicht die ganze Nacht Zeit.«
»Wo sind die Wachen?«
»Monsieur Monde habe ich ausgeschaltet. Die
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