Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzer Schmetterling

Schwarzer Schmetterling

Titel: Schwarzer Schmetterling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernard Minier
Vom Netzwerk:
Gendarmerie, dann die Polizei: Schon zum dritten Mal erzählte er jetzt seine Version der Ereignisse.
    »Ein Fußballspiel: Marseille gegen Atlético Madrid.«
    »Und nach dem Spiel habt ihr euch eine DVD reingezogen?«
    »Genau.«
    Das Licht der Neonröhre ließ seinen kahlrasierten Schädel glänzen. Servaz sah eine ziemlich große Narbe darauf. Schon beim Eintreten hatte er instinktiv beschlossen, den Mann zu duzen. Einem solchen Typen musste man sofort klarmachen, wer hier das Sagen hatte.
    »Und was für ein Film war das?«
    »Ein Horrorfilm … ein B-Movie:
Die Augen der Nacht.
«
    »Und in welcher Lautstärke?«
    »Laut, das hab ich Ihnen doch schon gesagt.«
    Servaz’ langes Schweigen war dem Wachmann sichtlich unangenehm. Schließlich erklärte er sich etwas ausführlicher:
    »Mein Kollege ist ein bisschen taub. Und außerdem sind wir ganz allein hier. Wir brauchen auf niemanden Rücksicht zu nehmen.«
    Servaz nickte verständnisvoll. Fast wortwörtlich die gleichen Antworten wie sein Kollege.
    »Wie lange dauert ein Fußballspiel?«
    Der Wachmann sah ihn an, als käme er von einem anderen Planeten.
    »Zweimal fünfundvierzig  Minuten … Dazu die Halbzeit und die Spielunterbrechungen … Zwei Stunden ungefähr …«
    »Und der Film?«
    »Keine Ahnung … anderthalb … zwei Stunden …«
    »Um wie viel Uhr hat das Spiel angefangen?«
    »Das war ein Europapokalspiel … um Viertel vor neun.«
    »Hm, hm … Das bringt uns etwa gegen halb eins … Habt ihr anschließend einen Rundgang gemacht?«
    Betreten senkte der Wachmann den Kopf.
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Wir haben noch einen Film angeschaut.«
    Servaz beugte sich vor. Er sah sein Spiegelbild in der Scheibe. Draußen war es stockfinster. Die Temperatur musste weit unter null Grad gesunken sein.
    »Noch einen Horrorfilm?«
    »Nein …«
    »Also was?«
    »Einen Porno …«
    Servaz zog eine Braue hoch und lächelte ihn schmierig an. Von einer Sekunde auf die andere glich er einer Figur aus einem Zeichentrickfilm.
    »Hm, verstehe … Bis wie viel Uhr?«
    »Keine Ahnung. Zwei Uhr ungefähr …«
    »Donnerwetter! Und dann?«
    »Was dann?«
    »Habt ihr einen Rundgang gemacht?«
    Der Wachmann ließ diesmal auf seinem Stuhl vollends die Schultern hängen.
    »Nein.«
    »Noch einen Film?«
    »Nein, wir haben uns aufs Ohr gelegt.«
    »Sollt ihr denn keine Kontrollgänge machen?«
    »Doch.«
    »Wie oft?«
    »Alle zwei bis drei Stunden.«
    »Und ihr habt gestern Nacht keinen einzigen gemacht, seh ich das richtig?«
    Der Wachmann starrte auf die Spitze seiner Schuhe. Er schien ganz in die Betrachtung eines kleinen Flecks versunken zu sein.
    »Nein …«
    »Ich hab dich nicht verstanden.«
    » NEIN .«
    »Warum nicht?«
    Diesmal sah der Wachmann zu ihm auf.
    »Hören Sie, wer … wer sollte schon auf die Idee kommen, mitten im Winter hier hochzufahren? Da ist nie wer … Alles ausgestorben … Wozu sollten wir also Kontrollgänge machen?«
    »Aber dafür werdet ihr doch bezahlt, oder nicht? Und was ist mit den Graffiti an den Wänden?«
    »Junge Burschen, die manchmal hier raufkommen … Aber nur, wenn es warm ist …«
    Servaz beugte sich etwas weiter vor, bis sein Gesicht nur noch wenige Zentimeter von dem des Wachmanns entfernt war.
    »Wenn während des Films ein Auto hochgekommen wäre, hättet ihr es also nicht gehört?«
    »Nein.«
    »Und die Seilbahn?«
    Der Wachmann zögerte einen Sekundenbruchteil, das entging Servaz nicht.
    »Auch nicht.«
    »Bist du sicher?«
    »Äh … ja …«
    »Und das Zittern?«
    »Was für ein Zittern?«
    »Die Seilbahn lässt alles erzittern. Ich hab es gespürt. Habt ihr das gestern Nacht nicht gespürt?«
    Erneutes Zögern.
    »Der Film hat uns völlig gefesselt.«
    Er log. Servaz war sich absolut sicher. Ein Lügengespinst, das sie zusammen ausgeheckt hatten, bevor die Gendarmen eingetroffen waren. Die gleichen Antworten, das gleiche Zögern.
    »Ein Fußballspiel und zwei Filme – damit sind wir bei ungefähr fünf Stunden«, kalkulierte Servaz, als wäre er ein Gastwirt, der auf seiner Registrierkasse eine Rechnung tippte. »Aber während eines Films gibt es nicht durchweg Geräusche, oder? In einem Film ist es immer wieder eine Zeitlang still … selbst in einem Horrorfilm …
Besonders
in einem Horrorfilm … Wenn die Spannung steigt, wenn der Suspense seinen Höhepunkt erreicht …« Servaz beugte sich noch ein Stück weiter vor, so dass sein Gesicht jetzt fast das des Wachmanns berührte. Er

Weitere Kostenlose Bücher