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Schwarzer Schwan

Schwarzer Schwan

Titel: Schwarzer Schwan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Eckert
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den Raum, schüttelte Frantzens Hand und nahm Platz. Sein Gegenüber war braun gebrannt, wie frisch aus dem Urlaub.
    »Warum nicht auf der Terrasse, bei dem Wetter?«, fragte Mierscheid.
    Der RheinBank-Manager schüttelte den Kopf. »Zu viele Fliegen.«
    Ein Kellner brachte die Karten, doch sie hatten sich bereits entschieden. Frantzen wirkte unruhig und redete eine Spur zu laut. Mierscheid wusste, dass der Mann ab und zu kokste. Vielleicht hatte er vor dem Treffen etwas geschnupft.
    »Du siehst nicht gut aus«, sagte Frantzen, als sie allein waren.
    »Herzlichen Dank.«
    »Hast du abgenommen?«
    »Schön wär’s.«
    »Die Rede neulich vorm Bundestag war okay.«
    »Okay? Mehr nicht? Ich habe dafür gesorgt, dass euer Standpunkt in die Medien gekommen ist!«
    »Im gesamten Landkreis Neuss, schon klar, Lothar.«
    Der Kellner brachte die Austern. So rasch waren sie in diesem Schuppen noch nie bedient worden. Mierscheid schlürfte das erste rohe Tierchen.
    »Wie war’s im Ausschuss?«, fragte sein Gegenüber.
    »Der Exminister hat alles richtig gemacht, aber er wirkte nicht ganz bei der Sache. Als hätte er innerlich Abschied genommen von der Politik.«
    »Er sondiert zurzeit seine Chancen in der freien Wirtschaft. In seiner Partei kräht kaum ein Hahn mehr nach ihm. Hatte nie den Stallgeruch, der jetzt wieder en vogue ist. Aber andererseits – wen haben sie sonst?«
    »Werdet ihr ihn anheuern oder die Deutsche Bank?«
    Frantzen winkte ab. »Aktive Politiker sind uns wichtiger.«
    »Ich habe den ›Energiepolitischen Appell‹ gelesen. Dingendorff hat nicht unterschrieben.«
    »Wir bleiben neutral.«
    Mierscheid hatte auf ein paar Insiderinformationen gehofft, drängte aber nicht. Er probierte den Entre-deux-Mers.
    »Hör zu«, sagte der Kommunikationschef der RheinBank und kratzte sich am Hals. »Du solltest mehr aus dir machen. Wie alt bist du jetzt? Fünfzig?«
    »Achtundvierzig.«
    »Und immer noch Hinterbänkler.«
    »Was ist schlimm daran?«
    Frantzen lachte.
    »Es muss nicht jeder durch die Talkshows tingeln und so tun, als würde er den Planeten retten«, bekräftigte Mierscheid.
    »Das ist nicht normal für einen Politiker.«
    »Dann bin ich eben nicht normal.«
    Da kein Kellner kam, um nachzuschenken, hob Frantzen selbst die Flasche aus dem Kühler und lästerte über die Rückständigkeit der Hauptstadtgastronomie – sein Lieblingsthema, wann immer er in Berlin war.
    Das Lokal begann sich zu füllen. Männer mit geschorenem Schädel und Hornbrille. Möchtegernkünstler, die ihre Schals auch im Sommer trugen. Junge Frauen, deren getunte Brüste schier die Blusen sprengten.
    Am gegenüberliegenden Ecktisch nahmen Christian Lindner und Maybrit Illner Platz. Frantzen nickte dem FDP-Mann zu. Mierscheid fragte sich, ob er das als Indiz dafür werten sollte, dass Lindner demnächst ins Bundeskabinett wechselte.
    »Warum hast du mich hierher bestellt?«, wollte er von Frantzen wissen. »Doch nicht bloß, um dich nach dem Ausschuss zu erkundigen.«
    Sein Gegenüber säbelte am Hauptgang, dem irischen Dryaged-black-Angus-Steak. »Kennst du den Sparclub 91? «
    Mierscheid musste einen Moment überlegen. »Gibt’s den noch?«
    »Er ist einflussreicher denn je.« Frantzen sprach mit vollem Mund. »Ich soll dir anbieten, beizutreten. Du machst deine Arbeit als Obmann gut, das gefällt uns. Dingendorff sieht in dir einen Mann mit Zukunft. Erst wirst du Mitglied im Sparclub, und in ein paar Wochen schauen wir weiter. Die Kanzlerin wird die Regierung umbilden, wusstest du das?«
    Mierscheid lachte unsicher. »Was zum Teufel habt ihr mit mir vor?«
    »Wo bist du am Freitag?«
    »Zu Hause.« Für den Rest der Woche hatte Mierscheid wieder Termine im Wahlkreis, musste sich auf Schützenfesten blicken lassen, Firmenjubiläen beehren, Redaktionen besuchen – die unumgängliche Tingelei. »Wieso fragst du?«
    »Deshalb.« Frantzen schob ihm einen Umschlag zu.
    Die Lasche war verklebt, keine Beschriftung. Zu dünn, um ein Geldbündel zu enthalten, erkannte Mierscheid und steckte das Kuvert ein. Er versuchte das leichte Grummeln in seinem Bauch zu ignorieren. Seit der Sache mit Paula kriegte sich sein Magen nicht recht ein. Nervensache.
    Frantzen winkte dem Kellner und gab ihm seine Platinkarte. »Scheißberlin. Weil Dingendorff meint, das Kanzleramt brächte die Chinareise ohne mich nicht zustande, musste ich mein heutiges Date absagen.«
    »Die Blumenhändlerin?«
    »Nein, ein Mädel aus meiner Bank. Wir kennen uns seit

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