Schwarzer Sonntag
der entgegengesetzten Richtung. Als Kabakov den Anwesenden ins Gedächtnis rief, wie der »Schwarze September« bei dem Anschlag in München vorgegangen war und bei dem mißlungenen Attentat anläßlich der Fußballweltmeisterschaft vor einem halben Jahr, gelang es ihm, die Versammelten in Unruhe zu versetzen. Warum eigentlich, so fragte Kabakov, sei ein Anschlag auf das Super BowlSpiel in New Orleans weniger wahrscheinlich als das Attentat im Olympischen Dorf?
»Weil hier keine jüdische Mannschaft spielt«, hieß es sogleich. Niemand lachte. Kabakov sprach weiter. Man merkte jetzt, daß die Zuhörer betroffen waren. Sie bewegten sich unruhig auf ihren Stühlen. Solange er denken konnte war es ihm noch immer gelungen, Polizisten aus ihrer Ruhe aufzuscheuchen, sogar israelische Polizisten.
Im Zusammenhang mit Fasils bisherigen Aktionen bekam die Sportzeitschrift plötzlich als Indiz ein anderes, bedrohliches Gewicht. Nachdem man sich die potentielle Gefahr erst einmal eingestanden hatte, übertrafen sich die Beamten in ihren Vorschlägen. Warum sollte ausgerechnet nur das Super Bowl-Spiel Ziel eines Anschlags sein? In der Zeitschrift war ein überfülltes Stadion abgebildet - war dann nicht jedes überfüllte Stadion gefährdet? Gott im Himmel. Das Sugar Bowl-Spiel! Übermorgen! Und am Neujahrstag fanden überall im Land große Spiele statt. Alle mußten abgesichert werden.
Mit der Angst aber stellte sich auch Feindseligkeit ein. Kabakov spürte plötzlich, daß er in diesem Kreis der einzige Ausländer war, und noch dazu ein Jude. Und er spürte instinktiv, daß einige der Anwesenden an eben diesen Umstand dachten. Er hatte das erwartet, es überraschte ihn nicht, daß diese Männer mit den kurzgeschorenen Haaren und den Abzeichen ihrer Studentenverbindungen in ihm eher das Problem sahen als dessen Lösung. Die Gefahr ging von einer Bande von Ausländern aus, und er war auch Ausländer. Das wurde zwar nicht ausgesprochen, aber es lag spürbar in der Luft.
»Danke, meine Herren«, sagte Kabakov, als er sich wieder setzte. Ihr Knaben habt keine Ahnung von Ausländern, dachte er, aber am 12. Januar könnte euch ein Licht aufgehen.
Kabakov wollte nicht einleuchten, daß der »Schwarze September« sich ein Stadion aussuchen würde, in dem der Präsident nicht anwesend war. Für ihn gab es gar keinen Zweifel mehr, daß die Terroristen beim Super Bowl-Spiel in New Orleans zuschlagen wollten. Am Nachmittag des 30. Dezember traf er dort ein. Im Tulane-Stadion hatte man mit der Durchsuchung bereits begonnen.
Es waren dafür 50 Männer eingeteilt worden - Agenten des FBI, Kriminalpolizisten, zwei Hundeführer von der Luftfahrtbehörde, deren Hunde auf den Geruch von Sprengstoff abgerichtet waren, zwei Techniker von der Army mit einem elektronischen »Schnüffler«, der auf den Sprengstoff von der Leticia eingestellt war, und Feuerwerker von der Polizei.
New Orleans war insofern ein Sonderfall, als sich hier Agenten des Secret Service beteiligten und die Durchsuchung zweimal vorgenommen werden mußte - heute für das Sugar BowlSpiel und das zweite Mal für das Super Bowl-Spiel, einen Tag vor dem 12. Januar. Die Männer gingen in aller Ruhe ihrer Aufgabe nach, kaum beachtet vom Stadionpersonal, das mit letzten Vorbereitungen beschäftigt war.
Kabakov interessierte sich nicht weiter für die Durchsuchung. Er rechnete nicht damit, daß man etwas finden würde. Statt dessen musterte er eingehend die Gesichter des Stadionpersonals. Er erinnerte sich daran, daß Fasil seine Guerillas sechs Wochen vor Beginn der Spiele angewiesen hatte, sich Arbeit im Olympischen Dorf zu suchen. Er wußte, daß die Stadtpolizei von New Orleans das Stadionpersonal noch einmal unter die Lupe nahm. Trotzdem starrte er immer wieder prüfend in die Gesichter, so als hoffte er auf ein Alarmzeichen in der Magengegend, falls er einem Terroristen gegenüberstand. Aber so oft er die Arbeiter auch ansah, er empfand nichts. Die polizeilichen Nachforschungen ergaben lediglich, daß einer von ihnen ein Bigamist war, der in Coahoma County, Mississippi, gesucht wurde.
Am Silvesternachmittag verloren die Tigers von der Louisiana State University das Sugar Bowl-Spiel mit 13 zu 7 gegen Nebraska. Kabakov sah zu.
Es war sein erstes Footballspiel, und er sah davon nicht viel. Er und Moschevsky verbrachten die meiste Zeit unter den Tribünen und an den Zugängen, unbehelligt von den Agenten des FBI und den über das Stadion verteilten Polizisten. Kabakov
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