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Schwarzer Tod

Titel: Schwarzer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Iles
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angefleht. Aber er wollte nicht gehen. Ich war erst 14 und hab es trotzdem vorhergesehen. Aber er hatte ja im Großen Krieg für den Kaiser gekämpft. Er sagte, daß Hitler sich niemals gegen die Veteranen wenden würde. Was für ein Scheiß! Was für ein gottverdammter Scheiß!« Er stand auf und wollte gehen.
    »Eine Minute noch«, sagte Smith. »Das ist ein harter Schlag; ich weiß. Ich habe lange überlegt, ob ich Ihnen diese Liste zeigen sollte oder nicht; doch ein Mann hat das Recht darauf, so etwas zu erfahren. Sie werden vielleicht nicht mehr aus Deutschland zurückkommen.«
    Stern nickte trübselig.
    »Sie fahren morgen abend - fast bei Neumond.« Smith schien nur zögernd fortzufahren. »Ich muß Ihnen noch etwas sagen: Wissen Sie, daß Sie niemanden mitbringen dürfen?«
    »Was meinen Sie damit?«
    »Ich meine Juden«, antwortete Smith mit fester Stimme. »Niemand außer Ihnen und McConnell wird aus Deutschland herauskommen. Wenn Sie jemanden mitbringen, wird das Unterseeboot ihn nicht an Bord nehmen. Verstanden? Niemand darf je von diesem Einsatz erfahren, Stern. Schon gar nicht die Amerikaner.«
    »Zum Teufel mit den Amerikanern. Wie soll ich jemanden rausholen, wenn ich selbst erst nach dem Angriff ins Lager gehe?«
    »Genau das meine ich. Sorgen Sie dafür, daß Sie nicht vorher hineingehen.«
    Smith betrachtete seine Fingernägel. »Versucht der gute Doktor immer noch, Sie von der Mission abzubringen?«
    »Was? Oh. Nein. Er redet viel, aber das bedeutet nichts. Reden führt nie zu irgend etwas.«
    »Sie sind also bereit? Selbst wenn McConnell die Nerven verliert, sich weigert, oder was auch immer? Sie ziehen es durch?«
    Gereizt hob Stern den Blick. Seine glühenden schwarzen Augen waren Antwort genug.
    »Und die Gefangenen?«
    »Ich weiß, was getan werden muß.«
    »Guter Junge.« Smith knurrte zufrieden, schenkte sich noch einen Whisky ein und trank einen Schluck. »Es gibt da noch einen Punkt, über den wir reden müssen. Das, was ich jetzt sagen werde, mag zwar etwas drastisch klingen, aber es ist notwendig.«
    »Ich höre.«
    »Sie waren schon früher auf feindlichem Gebiet. Sie wissen, wie das läuft. Es steht außer Frage, daß keiner von Ihnen lebendig gefangen werden darf. Vor allem McConnell nicht, bei allem, was er weiß. Das darf einfach nicht passieren.«
    Stern griff in sein Hemd und zog ein kleines, rundes Medaillon mit dem Davidstern darauf heraus. Smith hatte die Kette vorher nie bemerkt. Stern drückte das stumpfe Silber zwischen den Fingern und öffnete dann die Hand. In seiner Handfläche lag eine schwarze Kapsel.
    »Das habe ich seit Nordafrika immer dabei«, sagte er.
    Der General hob überrascht die Augenbrauen. »Nicht schlecht. Normalerweise ist das das Beste für alle, Sie selbst eingeschlossen; aber ich bezweifle, daß Dr. McConnell ebenso bereit dazu ist wie Sie. Genaugenommen ... bezweifle ich sogar, daß der Mann Zyankali nehmen würde, selbst wenn er welches dabei hätte.«
    »Stimmt. Das würde er nicht«, bestätigte ihm Stern.
    Duff Smith saß eine Minute lang schweigend da. Schließlich fragte er: »Sie verstehen?«
    Stern zuckte noch nicht einmal mit der Wimper. »Wenn es so sein soll«, antwortete er fast tonlos. »Zol zayn azoy. So sei es.«
    Nachdem Stern gegangen war, faltete Brigadegeneral Smith die Namensliste wieder zusammen und schob sie in die Tasche zurück. Dann leerte er das Glas, das Stern unberührt hatte stehen lassen. Er hatte wirklich nicht lügen wollen, aber er hatte keine andere Wahl gehabt. In seiner ganzen bisherigen Laufbahn hatte er noch nie einen solchen Auftrag angeordnet. Im Krieg kostete ein Sieg immer Blut, doch noch nie war ihm das so bewußt gewesen wie jetzt. Bei der Operation BLACK CROSS wurden nicht ausgebildete Soldaten als Opferlämmer in den Kampf geschickt, unschuldige Gefangene sollten durch einen der ihren sterben. Am grünen Tisch war das alles einfach nur eine simple Gewinn-und-Verlust-Rechnung ... und hier war der Gewinn ungeheuer. Aber Smith besaß genug Erfahrung auf diesem Gebiet, um zu wissen, daß dem Mann vor Ort, der diese unschuldigen Leben auslöschen mußte, derart kühle Überlegungen vielleicht nicht ausreichten. In dieser Situation brauchte der betreffende Mann vor allem eines: eine feste Überzeugung, die an Fanatismus grenzte.
    Smith hatte Stern soeben zu dieser Überzeugung verhelfen. Die SOE hatte tatsächlich vor drei Tagen einen Polen von der vereisten Ostseeküste gekratzt, und der Pole hatte auch

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