Schwarzer Tod
hatte, und die von der SOE für wichtige Missionen in Europa umgerüstet worden war. Die Ju und der deutsch sprechende RAF-Pilot hatten das Team ohne Probleme über die Niederlande gebracht; doch dann hatte das Wetter sich eingemischt. Ein baltischer Sturm war unerwartet nach Süden abgedreht und hatte sich wie eine Wand über der alten Grenze von Deutschland und Polen aufgebaut. Der Pilot hatte umdrehen wollen, aber McShane hatte ihn gezwungen, direkt in den Sturm zu fliegen. Indem er sich an der Recknitz orientierte, hatte der Mann das Kommandoteam fast genau ins Zielgebiet bringen können.
Sie waren blind gesprungen, ohne Fackeln oder Funk, die sie hätten leiten können. Wundersamerweise waren alle unverletzt gelandet; aber ihre Frachtschirme mit den Gaskanistern waren ihnen zu spät nachgeworfen worden. McShane wußte, daß er irgendwann die Frachtschirme lokalisieren würde. Er hatte sie beobachtet, so lange es ging. Der tote Mann zu seinen Füßen war das eigentliche Problem. Oberscharführer Willi Gauss konnte den ganzen Einsatz scheitern lassen, bevor McConnell und Stern Deutschland überhaupt erreichten, und zwar einfach nur deshalb, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war. McShane sah sich in dem dunklen Wald um. Es war leicht möglich, daß jemand die tödlichen Schüsse gehört hatte. Die Schalldämpfer auf den Stens waren alles andere als leise.
»Ian?« drängte Alick Cochrane in freundlichem Ton.
»Wir begraben ihn im Wald«, befahl McShane. »Und zwar gleich hier. Unsere Fallschirme verbuddeln wir im selben Loch. Für etwas anderes haben wir keine Zeit. Dann holen wir die Kanister, verscharren die Transportschirme und gehen den Hügel hoch.«
»Diese Kanister«, sagte Colin Munro. »Ich wette, wenn wir die Tragestangen liegenlassen und die Kanister einfach auf die Schulter nehmen, könnten wir es in der Hälfte der Zeit schaffen. Vor allem durch diese Wälder.«
»Diese Tanks sind verdammt schwer«, erinnerte ihn Lewis.
»Nicht schwerer als die Masten in Achnacarry«, erwiderte McShane. »Hält dein Knie das Gewicht aus, John?«
»Das kriege ich schon hin.«
»Gut. Jetzt können wir selbst dieses heroische Gequatsche in die Tat umsetzen, mit dem wir die Rekruten ...«
»Runter!«
McShane warf sich neben der Leiche von Willi Gauss in den Schnee.
»Was ist los, Alick?«
Cochrane berührte ihn am Arm und deutete auf den Wald.
100 Meter weiter nördlich leuchtete ein gelbes Licht zwischen den Bäumen. Nach 30 Sekunden aboluter Konzentration kam McShane zu dem Schluß, daß es sich nicht bewegte.
»Was machen wir?« wollte Lewis wissen.
»Maulhalten und beten, daß es wieder ausgeht.«
Sybille Kleist stand am Wohnzimmerfenster ihres Hauses und starrte in die Finsternis. Sie kannte die Geräusche des Waldes, und das kurze Errat! das die Nacht zerrissen hatte, kurz nachdem ihr entzückender Willi gegangen war, gehörte nicht zum üblichen Mecklenburger Nachtkonzert. Vielleicht hatte ihr Geliebter ja beschlossen, für eine weitere Runde Sex zurückzukommen. Sie hoffte es, aber Willi tauchte nicht auf. Sie zog an ihrer Zigarette und wünschte, sie hätte ein Telefon. Dabei hätte sie sowieso niemanden wegen ihrer Ängste anrufen können. Man hätte Willi vielleicht entdeckt, und das wäre das Ende gewesen. Das Leben war inzwischen einfach viel zu kompliziert geworden. Was sollte sie tun, wenn ihr Mann wieder zurückkehrte? Sich von einem heldenhaften U-BootKommandanten scheiden zu lassen, würde sie als treulose, unpatriotische Schlampe brandmarken, ganz gleich, wie langweilig der Mann auch sein mochte.
Nichts funktionierte je so, wie es funktionieren sollte.
Nach einer weiteren Minute, in der sie aufmerksam den Wald beobachtete und lauschte, ging Sybille zögernd ins Bett und zündete sich eine weitere Zigarette an. Die Laken waren noch feucht von Willis hingebungsvollen Aufmerksamkeiten. Als Sybille an ihn dachte, fiel ihr auch wieder das merkwürdige Geräusch auf dem Pfad ein. Vermutlich war es nur ein Hirsch, sagte sie sich, der sich das Geweih an einem Baum abgestoßen hat. Aber sie würde sich trotzdem freuen, Willi bald wiederzusehen.
»Alle wieder hoch«, befahl McShane leise. »Es sind nur noch sieben Stunden bis zum Morgengrauen. Nachdem wir die Kanister aufgehängt und das Funkgerät verstaut haben, müssen wir immer noch bis zum Strand.«
Colin Munro nahm einen Klappspaten aus seinem Rucksack. »Laßt uns diesen Mistkerl zwischen die Bäume ziehen und
Weitere Kostenlose Bücher