Schwarzes Echo
vergangenen beiden Nächten jeweils einmal Alarm ausgelöst worden sei, Donnerstag nacht zweimal. Jedesmal habe ihn die Polizei von Beverly Hills zu Hause angerufen. Er wiederum hatte seinen Sohn Avery IV angerufen und beauftragt, sich mit den Beamten zu treffen. Die Beamten und der Erbe betraten das Geschäft und stellten die Alarmanlage ab, nachdem nichts fehlte.
»Wir hatten keine Ahnung, daß unter uns in den Abwasserkanälen jemand sein könnte«, sagte Avery III. Er sagte es, als sei das Wort Abwasserkanäle weit unter seinem Niveau. »Nicht zu fassen, nicht zu fassen.«
Bosch stellte weitere, detaillierte Fragen zu den Sicherheitsvorkehrungen. Ohne sich der Bedeutung bewußt zu sein, erwähnte Avery III beiläufig, daß es bei seinem Tresor, im Gegensatz zu konventionellen Banksafes, eine Möglichkeit gab, das Zeitschloß außer Kraft zu setzen. Es gab einen Code, den man in den Computer eingab und so die Koordinaten des Zeitschlosses löschte. Dann konnte man die Tresortür jederzeit öffnen.
»Wir müssen auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen«, erklärte er. »Sollte eine Lady aus Beverly Hills sonntags anrufen, weil sie ihr Diadem für den Wohltätigkeitsball braucht, möchte ich in der Lage sein, ihr das Diadem zu besorgen. Schließlich sind wir ein Serviceunternehmen.«
»Wissen alle Kunden von diesem Wochenendservice?« fragte Wish.
»Natürlich nicht«, sagte Avery III. »Nur ein paar Auserwählte. Sehen Sie, wir verlangen eine saftige Gebühr. Wir müssen extra einen Wachmann dafür herholen.«
»Wie lange dauert es, das Zeitschloß außer Kraft zu setzen und die Tür zu öffnen?« fragte Bosch.
»Nicht lange. Ich tippe den Löschcode auf der Tastatur neben der Tresortür ein, und dann ist es nur noch eine Sache von Sekunden. Man gibt den Code zum Öffnen des Tresors ein, dreht an einem Rad, und die Tür öffnet sich dann durch ihr Eigengewicht. Dreißig Sekunden, vielleicht eine Minute, vielleicht weniger.«
Nicht schnell genug, dachte Bosch. Trans Box befand sich vorn im Tresor. Dort würden die Diebe arbeiten. Sie würden sehen und hören, wenn die Tresortür geöffnet wurde. Kein Überraschungseffekt.
Eine Stunde später saßen Bosch und Wish wieder im Wagen. Sie waren in den ersten Stock des Parkhauses am Wilshire, einen halben Block östlich vom Beverly Hills Safe & Lock umgezogen. Von dort hatten sie freien Blick auf den Tresorraum. Nachde m sie Avery III verlassen und ihren Wachposten bezogen hatten, konnten sie sehen, wie Avery IV und Grant die riesige, rostfreie Stahltür schlossen. Sie drehten das Rad, tippten auf der Computertastatur herum und schlossen ab. Dann gingen überall die Lichter aus, bis auf die im gläsernen Tresorraum. Die blieben immer an und ließen das Symbol der Sicherheit erstrahlen.
»Glaubst du, sie kommen heute nacht raus?« fragte Wish.
»Schwer zu sagen. Ohne Meadows fehlt ihnen ein Mann. Vielleicht liegen sie hinter ihrem Zeitplan zurück.«
Sie hatten Avery III gesagt, er solle nach Hause fahren und sich bereithalten. Der Besitzer willigte ein, blieb allerdings dem ganzen Szenario gegenüber skeptisch.
»Wir werden uns unterirdisch an sie ranmachen müssen«, sagte Bosch und hielt die Hände am Lenkrad, als würde er fahren. »Wir kriegen die Tür niemals schnell genug auf.«
Träge blickte Bosch nach links den Wilshire hinauf. Er sah einen weißen LTD, der einen Block entfernt am Bordstein parkte. Er stand neben einem Feuerhydranten, und zwei Gestalten saßen drin. Bosch hatte nach wie vor Gesellschaft.
Bosch und Wish standen neben seinem Wagen im ersten Stock des Parkhauses an der südlichen Stützmauer. Seit über einer Stunde war das Parkhaus praktisch leer, aber der triste Betonbau roch nach Auspuffgasen und heißgelaufenen Bremsen. Bosch war sicher, daß der Bremsengestank von seinem Wagen stammte. Die Stop-and-Go-Verfolgung von Little Saigon hatte ihren Tribut gefordert. Von ihrer Position aus konnten sie den Wilshire einen halben Block westwärts bis zum gläsernen Tresor des Beverly Hills Safe & Lock überblicken. Der Himmel über dem Wilshire färbte sich rosa, und die untergehende Sonne zeigte sich in dunklem Orange. Die Lichter der Stadt gingen an, und der Verkehr ließ nach. Bosch blickte nach Osten den Wilshire hinauf und sah den weißen LTD am Straßenrand, die Silhouetten der Insassen hinter der getönten Windschutzscheibe.
Um acht Uhr kam eine Prozession von drei Wagen die Rampe herauf und fuhr über die leere Parkfläche zu
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