Schwarzes Echo
ausbreitete.
»Na ja, ich wollte nur sehen, wie es dir geht.«
Er nickte.
»Und … und dir sagen …«
Jetzt kommt er, dachte Bosch, der Abschiedskuß.
»… ich habe beschlossen zu kündigen. Ich werde das FBI verlassen.«
»Was ist mit … Was hast du vor?«
»Ich weiß noch nicht. Aber ich werde nicht bleiben, Harry. Ich habe etwas Geld, also werde ich reisen und mir dabei überlegen, was ich tun will.«
»Eleanor, wieso?«
»Ich kann … es fällt mir schwer, das zu erklären. Aber alles, was passiert ist, alles, was mit dem Job zu tun hat, ist schiefgegangen. Ich glaube nicht, daß ich zurückgehen und wieder in diesem Büro arbeiten kann, nach allem, was geschehen ist.«
»Wirst du nach L. A. zurückkommen?« Sie sah auf ihre Hände und dann wieder im Zimmer umher.
»Ich weiß nicht. Harry, es tut mir leid. Es kam mir vor … ich weiß nicht, ich bin im Moment wegen mancher Sachen ziemlich durcheinander.«
»Welcher Sachen?«
»Ich weiß nicht. Wegen uns. Wegen dem, was passiert ist. Wegen allem.«
Wieder breitete sich Schweigen im Raum aus, so laut, daß Bosch hoffte, eine Schwester oder Galvin Junior würden den Kopf hereinstecken, um nachzusehen, ob alles in Ordnung wäre. Er brauchte dringend eine Zigarette. Er merkte, daß er zum ersten Mal an diesem Tag ans Rauchen dachte. Eleanor betrachtete ihre Füße, und er sein unangetastetes Essen. Er nahm das Brötchen und fing an, es wie einen Baseball immer wieder in die Luft zu werfen. Nach einer Weile unternahmen Eleanors Augen ihre dritte Rundreise durchs Zimmer, ohne zu finden, was sie suchte. Bosch konnte es sich nicht erklären.
»Hast du die Blumen nicht bekommen, die ich dir geschickt habe?«
»Blumen?«
»Ja, ich habe Gänseblümchen geschickt. Wie sie auf dem Hügel unter deinem Haus wachsen. Ich seh’ hier keine.«
Gänseblümchen, dachte Bosch. Die Vase, die er an die Wand geworfen hatte. Wo sind meine gottverdammten Zigaretten, wollte er schreien.
»Wahrscheinlich kommen sie später. Hier oben wird nur einmal täglich ausgeliefert.«
Sie sah ihn skeptisch an.
»Weißt du«, sagte Bosch, »wenn Rourke wußte, daß wir den zweiten Tresor gefunden und gesehen hatten, wie Tran reinging und seine Box leerte, wieso hat er seine Leute nicht rausgeholt? Das stört mich daran. Wieso hat er die Sache durchgezogen?«
Langsam schüttelte sie den Kopf. »Ich weiß nicht. Vielleicht … na ja, ich hab’ schon überlegt: Vielleicht wollte er, daß sie umkommen. Er kannte die Männer, vielleicht wußte er, daß sie bei einer Schießerei umkommen würden, daß er ohne sie die Diamanten aus dem ersten Tresor für sich behalten konnte.«
»Ja, aber weißt du, den ganzen Tag über denke ich schon darüber nach, wie wir da unten waren. Ich erinnere mich langsam wieder an alles. Auch daran, daß er irgendwas davon sagte, daß sein Anteil größer wäre, weil Meadows und die anderen beiden tot wären. Er hat immer noch das Wort ›Anteil‹ verwendet, als müßte er nach wie vor mit jemandem teilen.«
Sie schob die Augenbrauen hoch. »Aber das könnte auch Wortklauberei sein, Harry.«
»Vielleicht.«
»Ich muß gehen. Weißt du, wie lange du noch hier liegen sollst?«
»Man hat mir nichts gesagt, aber ich denke, ich werde mich morgen entlassen. Ich möchte zu Meadows’ Beerdigung.«
»Eine Beerdigung am Veteranentag. Klingt passend.«
»Willst du mitkommen?«
»Mmmm, nein. Ich glaube nicht, daß ich noch etwas mit Mr. Meadows zu tun haben möchte … Aber ich werde morgen im Büro sein. Meinen Schreibtisch ausräumen und ein paar Zwischenberichte zu den Fällen schreiben, die ich an andere Agenten weitergebe. Du könntest vorbeikommen, wenn du möchtest. Ich koch’ dir frischen Kaffee, wie immer. Aber weißt du, ich glaube eigentlich nicht, daß sie dich so bald entlassen werden, Harry. Nicht mit einer Schußwunde. Du brauchst Ruhe. Sie muß heilen.«
»Klar«, sagte Bosch. Er wußte, daß sie Abschied von ihm nahm.
»Okay, also, vielleicht sehen wir uns.«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuß, und er wußte, es war der Abschied von allem, was zwischen ihnen gewesen war. Sie war schon fast draußen, als er die Augen aufschlug.
»Eins noch«, sagte er, und sie drehte sich an der Tür um und sah ihn an. »Wie hast du mich gefunden, Eleanor? Du weißt schon, im Tunnel bei Rourke.«
Sie zögerte, und wieder wanderten ihre Augenbrauen nach oben.
»Na, ich bin mit Hanlon runtergegangen. Aber als wir aus dem engen Tunnel kamen,
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