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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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Freunds und Counterparts, auch noch
auf einer zweiten Ebene mit Georg Spennings Tod auseinandersetzen. Es gelang
ihm nicht, Liv ohne weiteres mit dem Todesfall zu konfrontieren. Durch ihre
Krankheit konnte sie den Tod nur selten als persönlichen Verlust ansehen. Der
Begriff »Tod« war für Liv gleichbedeutend mit dem Arrangement
»Beerdigung«. Eine Beerdigung bedeutete Öffentlichkeit. Und Liv versank in
tiefster Dunkelheit, wenn von Öffentlichkeit die Rede war. Sie hatte Angst vor
Menschen, hatte Angst, sich anzuziehen, Angst, anderen Menschen zu begegnen,
von denen sie fürchtete, sie würden sie beurteilen, sie durchschauen, sich an
ihren roten Augen, dem matten Haar, der bleichen Haut und ihren bebenden Lippen
weiden. Wie in einem offenen Buch würden sie all ihre schmerzlichen
Geheimnisse an ihr ablesen und dieses Wissen so unreflektiert verbreiten, wie
ein Bauer im Frühling Jauche über seine Wiesen versprüht. Sie würden hinter
ihrem Rücken flüstern und tuscheln, sie in eine Schublade stecken – wie ein
Kind bezog Liv alles, was passierte, auf sich selbst. Es waren die festen
unverrückbaren Routinen, die Liv durch den Tag brachten: aufstehen, essen, die
Zeitung reinholen, einmal durchblättern, an den Briefkasten gehen, Comics
lesen, Radio hören, essen, wieder schlafen, essen, fernsehen. In diesem
strikten Programm war kein Platz für unvorhergesehene Ereignisse. Jeder Bruch
dieser Routinen weckte ihre schlummernden Symptome.
    Doch wie sehr ihr Zusammenleben auch in Schieflage geriet,
sie sprachen nie über ihre Krankheit oder ihre Symptome. Vebjørn brachte es
nicht über sich, ihr geradeheraus von Georgs Tod zu erzählen. Er konnte aber
auch nicht einfach die Beerdigung in aller Stille abwarten und ihr später
sagen, dass er allein dorthin gegangen war. Dann würde sie sich garantiert in
einen hysterischen Zustand hineinsteigern, inklusive Schuldgefühlen, weil sie
ihn nicht begleitet und sich dem Ereignis gestellt hatte. Dennoch würde das
Schuldgefühl kaum zum Tragen kommen. Erst würde die Angst vor dem
Schuldgefühl sie völlig frustrieren. Diese Frustration würde herausmüssen
und Vebjørn mit voller Wucht treffen. Und dieser Zorn würde in Anklagen wegen
seines Zynismus und seiner Arroganz gipfeln. Denn dass er über einen solchen
Vorfall schwieg, bewies doch wieder einmal, dass er sie nie ernst nahm – weil
sie unmöglich war, oder krank.
    Vebjørn war in seinem tiefsten Inneren davon überzeugt,
dass er Liv liebte. Diese Liebe war inzwischen reduziert auf eine schwach
schwelende Glut, vergraben unter einer Menge kalter Asche. Aber es gab die Glut
noch, erhalten von den Erinnerungen an glückliche Tage, an gemeinsame
Anstrengungen, die Hindernisse des Lebens zu überwinden und Wohl und Weh der
Kinder gemeinsam zu tragen. Deswegen betrachtete er ihre Krankheit als etwas
Vorübergehendes – er ging davon aus, dass eines Tages in der Zukunft alles
wieder so sein würde wie früher. Jeden Tag hoffte er, dass sie bald gesund
würde, sodass sie ein annähernd normales Leben miteinander führen konnten.
Doch während er darauf wartete, dass sie wieder normal miteinander
kommunizieren konnten, musste er Strategien entwickeln, um die Zeit zu
überstehen, ohne seine gesamte Energie auf ihr Toben und Schimpfen zu
verwenden, das ihre Symptome mit sich brachten. Was Georg Spennings Tod
anbelangte, so löste er das Problem, indem er dafür sorgte, dass die
Todesbotschaft von jemand anderem überbracht wurde. Als es Zeit für die
Nachrichten wurde, setzte er sich neben Liv. Sie hockte im Jogginganzug auf dem
Sofa, las alte Donald-Duck-Hefte und aß Kartoffelchips aus einer großen,
gelben Tüte. Er schaltete den Fernseher ein. Das Logo der Nachrichtensendung
Dagsrevy
prangte auf dem Bildschirm. Hauptthema war wie immer die
Affäre um den Landesverräter Arne Treholt. Die Nachricht vom Tode Georg
Spennings war weniger wichtig. Ungefähr zwanzig Minuten nach Beginn der
Sendung wurde ein Schwarz-Weiß-Foto von ihm gezeigt. Der Kommentator
beleuchtete die ganze Sache im ewigen Licht der angeblichen Unterschlagung von
Geldern, die auf Konten in Jersey, in Panama und anderen Steuerparadiesen
geparkt sein sollten. Das Positive an dieser Art der Berichterstattung war,
dass Vebjørn sie als Ausgangspunkt nutzen konnte, um die Beerdigung zur
Sprache zu bringen.
    Er schaltete den Fernseher aus.
    Liv, die Hand tief in der Chipstüte vergraben, sah ihn

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