Schwarzes Gold Roman
erschrocken an.
»Was machst du?« Um ihre Lippen klebten fette Krümel.
»Ich kann nicht glauben, dass sie über solche Sachen
sprechen, wo der arme Mann tot ist«, sagte Vebjørn.
»Wovon redest du da? Schalt wieder ein!«
»Hast du das nicht gesehen? Georg Spenning ist tot.«
»Nein.« Ihre Augen hatten einen hilflosen und furchtsamen
Glanz bekommen.
»Und die sprechen nur darüber, dass er angeblich sein Geld
im Ausland versteckt haben soll«, sagte Vebjørn.
»Aber das hat er doch.«
»Was?«
»Das weißt du ganz genau«, bellte Liv. »Du hast dir das
doch schließlich alles ausgedacht.«
Vebjørn starrte Liv sprachlos an. Von der Handfläche schob
sie sich Kartoffelchips in den Mund. Es krachte, wenn sie kaute. »Mach den
Fernseher an!«, mummelte sie mit vollem Mund. Aus ihrem Mund spritzen
Chipskrümel.
»Ich muss zur Beerdigung«, sagte Vebjørn hart.
Sie hörte auf zu essen. Wieder lag Angst in ihrem Blick.
»Sie findet am Freitag statt«, fuhr er fort und sah, wie
Paranoia ihre Züge färbte. Er wartete noch zwei Sekunden, dann sagte er:
»Ich muss da hin. Es sähe nicht gut aus, wenn ich einfach
wegbliebe. Ich bin trotz allem Chef des Unternehmens.«
Ihr Gesicht wurde ruhiger. Ihre Teilnahme an der Beerdigung
war kein Thema. Sie vergrub die Hand wieder in der Chipstüte. Vebjørn
beendete das Gespräch: »Ich brauche ein weißes Hemd.«
»Ich gebe Bescheid«, sagte Liv und griff nach der
Fernbedienung, die er auf den Tisch gelegt hatte. Sie schaltete ein.
Wetterbericht mit Langzeitprognose.
Der Pfarrer war gründlich vorbereitet. Loyal würdigte er
die zahlreichen Höhepunkte in Georg Spennings unternehmerischer Laufbahn. Er
huldigte einem aufrechten Aristokraten. Er zählte die Orden auf, die der
Reeder bekommen hatte, und entwarf das Bild eines Mannes, der in einer Welt aus
Neid und Missgunst allein gestanden hatte. Der Pfarrer legte großen Wert auf
den Begriff der Ehre. Er beschrieb die Berichterstattung der vergangenen Jahre
als die »Boshaftigkeit der kleinen Leute« und teilte die Welt in zwei
Hälften. Auf der einen Seite stand die Herde oder die Horde. Sie machten den
großen Männern auf der anderen Seite, die für den Fortschritt und die
großen Gedanken in die Bresche sprangen, nichts als Schwierigkeiten. Sie waren
die Genies, die den Weg zu einem strahlenden Ziel wiesen, ob das nun in der
Kunst, der Staatsordnung oder der Wirtschaft war. Vebjørn dachte im Stillen
darüber nach, was Georg von einer solchen Rede gehalten hätte.
»Georg Spenning war ein solches Genie«, predigte der
Pfarrer. »Ihm zum letzten Geleit haben wir uns hier versammelt.«
Vebjørn saß auf ihren Wunsch hin neben Georgs Witwe,
Bitten. Sie wirkte eingefallen und kraftlos. Bitten Spenning war im Rollstuhl
zur Zeremonie erschienen – fast wie Richard Nixon, dachte Vebjørn und
überlegte einen Augenblick, ob es an der Beschaffenheit des Rollstuhls lag,
dass Bittens Kopf – wie Nixons – leicht zur Seite geneigt war. Als sei sie
eine ausgestopfte Puppe, die man in den Stuhl gepresst hatte.
Bittens zwei Töchter samt Ehemännern und Kindern saßen
nebeneinander in der ersten Reihe. Erling Sachs hatte am Eingang zur Kapelle
gestanden und jeden einzelnen Gast mit ernster Miene begrüßt, was so manchen
verlegen oder unsicher gemacht hatte. Bette Line trug einen kleidsamen Hut mit
Schleier. Das nahezu undurchsichtige Netz bildete einen Kontrast, der die Haut
an ihrem Hals aussehen ließ wie die eines saftigen Pfirsichs. Ihre Tochter
Ulrikke saß zwischen den Eltern. Zum ersten Mal fiel Vebjørn die Ähnlichkeit
zwischen Mutter und Tochter auf.
»Georg Spennings Wunsch war es, dass seine Asche über jenem
Meer ausgestreut werden soll, das er so liebte und von dem er ein Teil werden
wollte!« Der Pfarrer schaute auf die Uhr und erhöhte das Tempo. Die haben
wohl ein enges Programm hier im Krematorium, dachte Vebjørn.
Er war es auch, der Bitten Spenning im Rollstuhl
hinausfuhr.
Welche Ironie, dachte Vebjørn, die Witwe und der Steuermann
weisen den Weg. Langsam schob er Bitten durch den Mittelgang der zum Bersten
gefüllten Kapelle. Nach der engsten Familie schlossen sich drei alte Männer
an, Freunde aus Kindertagen, die mit Georg nun den vierten Mann ihres
Bridgeclubs verloren hatten. Dahinter folgten Verwandte mit und ohne Anwälte,
Freunde der Familie, Freunde von Freunden, Wirtschaftsbosse, Politiker, Reeder
und Leute aus dem Reedereiverband sowie
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