Schwarzes Gold Roman
1971 der internationalen Presse
(genauer: der Sunday Times) gab und von Gewinnen hundertfacher Millionenhöhe
sprach, die er innerhalb von zwei Monaten erwirtschaftet hatte. Und eigentlich
war es eben dieses Interview, das die norwegische Steuerbehörde aufhorchen
ließ. Sie brüteten nämlich über den Bilanzen von Spenning & Co, und
dort stand von plötzlichen Gewinnen in der von Spenning genannten Höhe nichts
zu lesen. Doch als der Staat sich auf die Suche nach den Millionengewinnen
machte, spielte die Flöte plötzlich ein anderes Lied: Nein, Spenning hatte
doch nie im Spotmarkt operiert! Ganz im Gegenteil, er hatte seine Schiffe mit
langfristigen Verträgen verchartert. Und zwar an ein Unternehmen mit dem Namen
O’Cannys Shipping. Die monatliche Rate lag bei einem Dollar fünfzig pro
Bruttoregistertonne, zuzüglich Provision. Wenn jemand Gewinn an diesem Verkehr
machte – so Spenning –, dann mussten es die Besitzer von O’Cannys sein.
Ein Unternehmen, das seinen Sitz (genauer: seine Briefkastenadresse) in Liberia
hatte (genauer: im Steuerparadies Liberia). Tja. Als die Steuerbehörde die
Versfüße dieses Liedchens genauer betrachtete, fand sie heraus, dass Spenning
seine Schiffe an ein Unternehmen namens O’Cannys vermietet hatte, und damit
nicht genug, er mietete auch noch Schiffe von anderen norwegischen Reedern, um
diese dann weiter an O’Cannys zu verleihen. Das war eigenartig. Die Raten
waren doch so gering. Dennoch fungierte Spenning in den Verträgen als
Zwischenglied. Da stellte sich ein schlaues Köpfchen in der Verwaltung die
Frage: Warum sollte Spenning Schiffe von anderen norwegischen Reedern mieten
und dann weiterverleihen – zu so niedrigen Konditionen? Mal angenommen, sagte
sich der Schlaukopf, mal angenommen, der Besitzer von O’Cannys ist Georg
Spenning höchstpersönlich. Dann würde das alles einen Sinn ergeben: Spenning
hatte in kurzer Zeit unglaublich viel Geld im Spotmarkt verdient – wie er es
der internationalen Presse gegenüber behauptet hatte. Gleichzeitig
erwirtschaftete seine norwegische Reederei Spenning & Co bescheidene
Gewinne durch die Vercharterung von Schiffen. Jetzt musste die Steuerbehörde
nur noch den Beweis dafür finden, dass Spenning der heimliche Besitzer des
Unternehmens war, das so viel Geld verdiente. Und so steht die Sache seither:
Die Beweise fehlen. Und, glauben Sie mir, liebe Leser, die Beweise werden
niemals gefunden werden, jedenfalls nicht, solange Vebjørn Lindeman über den
Schlüssel zur Hölle bei Spenning AS wacht. Schließlich war er Georg
Spennings rechte Hand, als die Millionen für Spenning & Co zu rollen
begannen. Es soll nicht behauptet werden, dass Vebjørn Lindemans frenetischer
Kampf gegen eine Übernahme Spennings durch die Riebergruppe (genauer: Brede
Gran), etwas mit dieser Sache zu tun hat. Doch andererseits: Es ist bekannt,
dass die Steuerbehörde auch ihn überprüft. Es könnte doch sein, dass es ihm
am besten zupasskäme, wenn Spennings Archive und das interne Gedächtnis unter
seiner Kontrolle blieben.
21
Terje Plesner hatte einen hektischen Tag an der Börse und in
den Büros der Riebergruppe hinter sich, als Erling ihn zu einem Gespräch
unter vier Augen in sein Büro winkte. Erling schloss sorgsam die Tür, ehe er
an das breite Fenster hastete und die Blenden schloss. »Setz dich, Terje. Ich
glaube, wir beide müssen uns mal ein bisschen privat über Brede Gran
unterhalten.«
Terje Plesner setze sich.
»Ich meine es ernst«, sagte Erling. »Ich habe letzte Nacht
lange wach gelegen und nachgedacht.«
Terje Plesner schwieg. Fragend hob er die Brauen, als Erling
beide Hände auf den Schreibtisch legte und ihn inständig ansah.
»Ich habe an den alten Spenning gedacht, der Brede Gran
höchstpersönlich aus dem Land gejagt hat«, begann Erling und fuhr dann fort:
»Er muss einen guten Grund gehabt haben.«
»Natürlich hatte er den, na und?«
»Wie schätzt du Brede Gran eigentlich ein?«
»Er überzeugt mich nicht«, sagte Plesner.
»Warum nicht?«
»Die Sache mit der absoluten Mehrheit. Manchmal wirkt der
Typ völlig daneben.«
»Man fällt schnell auf Gran rein, Terje. Er sieht aus wie
ein Flegel auf Badeausflug mit Tante Olga. Aber er ist ein Hardliner. Vergiss
nicht, wie er sich erst zu einem viel zu niedrigen Preis bei Tønnesen
eingekauft hat. Danach hat er nach bestem amerikanischen Vorbild die Presse
benutzt, bis der Markt den Preis nach oben angepasst
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