Schwarzes Gold Roman
ansprach,
hörte er nichts. Das Verlangen nach Wiederholung plagte ihn unaufhörlich.
Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er nahm seinen Mut zusammen. Er rief
Renate an und fragte, ob sie ihn für eine Woche auf die Bahamas begleiten
würde.
»Bist du verrückt? Das kann ich mir nicht leisten!«
»Ich habe ein Reise für zwei Personen gewonnen«, log er
nervös.
Es wurde still.
»Bist du noch dran?«
»Ja. Ich denke bloß nach.«
Nach einigen weiteren Sekunden des Schweigens sagte sie
ja.
Sie trafen sich am Flughafen Fornebu, schüchtern. Über der
Nordsee tranken sie Wein, und als sie in London Aufenthalt hatten, löste sich
die Stimmung bei weiterem Wein erheblich. Danach ging es durch den mentalen
Fleischwolf, den ein zwölf Stunden langer Flug mit sich bringt. Die kühlen,
distanzierten Fassaden der Passagiere werden gesprengt von engen Sitzen,
Zeitverschiebung, Schweiß, unruhigem Schlaf, Toilettenschlangen, Warten,
Jetlag und Kopfschmerzen. Eine Gruppe von ein paar hundert unterschiedlichen
Individuen wird zu einer Reisegemeinschaft zusammengepresst. Die beiden, die
einander in der Abflughalle noch nervös und unsicher angelächelt hatten,
fühlten sich vertraut und gut miteinander bekannt, als sie endlich oben auf
der Flugzeugtreppe standen und sich von der warmen, feuchten karibischen Luft
umfangen ließen.
Nach ein paar Nächten auf den Bahamas wurde Per Ole klar,
dass er ein Mann war, der lange Zeit durstig durch die Wüste geirrt war.
Endlich hatte er jetzt eine Beziehung. Er war im Paradies. Diese Veränderung
sprach aus seinem ganzen Wesen, aus seiner Sprache, aus seinem Verhalten. Er
wurde freier, entspannter, selbstsicherer im sozialen Umgang, seine Stimme war
weniger nasal und piepsig. Er lachte häufiger.
Aber die größte Veränderung geschah in seinem Kopf. Er
begann, an Anders zu denken. Das hatte er seit Jahren nicht getan. Nun tat er
es unablässig. Er dachte an seinen Bruder, wenn er sich neben Renate im Sand
niederließ. Seine Gedanken wanderten zu seinem Bruder, wenn ihnen auf einer
lauschigen Terrasse stramme Kellner Meeresfrüchte servierten, während sie den
Mond über dem Meer aufgehen sahen und den Zikaden lauschten, die in den
Mangrovenbäumen sangen. Er dachte an Anders, wenn sie sich nach dem Baden
liebten und der milde Passat die weißen Gardinen wie Segel blähte. Ehe er
einschlief, sah er hinter geschlossenen Lidern das Gesicht seines Bruders. Wenn
er erwachte und in Renates Morgenlächeln sah, dachte er an ihn. Aber er
verriet ihr nichts davon. Er traute sich nicht, den Namen seines Bruders zu
erwähnen.
Erst als er nach Hause kam, begriff er, dass er nicht
umhinkonnte, es zu tun. Im Briefkasten, zwischen einer Menge anderer Post, lag
die Einladung zum Einweihungsfest bei Anders.
Magazin Avanse, August 1985
Avanse enthüllt:
Spennings geheimes Vermögen
Der Kampf um die Macht in der Firma Spenning AS wird
heftiger. Auf der einen Seite stehen die jungen und gierigen Schlachter, die
Geld und Blut wittern. Auf der anderen Seite stehen die grauen und ehrwürdigen
Eminenzen, die predigen, dass sie sich für Qualität und bleibende Werte
einsetzen. Doch die Leute fragen sich: Ist Konzernchef Vebjørn Lindeman der
letzte Mohikaner, der verzweifelt um eine vergangene Zeit und eine verlorene
Ära der norwegischen Finanzwelt kämpft? Oder sind die jüngsten Ereignisse
nichts weiter als der Trick eines alten Schlitzohrs, um seine Spuren aus der
Vergangenheit zu verwischen?
Obwohl Georg Spenning tot und begraben ist, die große Frage,
die sich die Steuerbehörden seit Jahren stellen, bleibt bestehen: Bunkert
Spenning AS ein geheimes Vermögen im Ausland? Nun, lieber Leser, wie ist diese
Geschichte entstanden? Ist sie ein Unkraut, das in den Spuren des schäbigen
norwegischen Dorfgeistes – auch Neid genannt – wächst, oder steckt in
diesem Gerücht ein wahrer Kern?
Sollte Georg Spenning über Jahre hinweg Gelder im Ausland
gebunkert haben, ist der Fall für die Steuerbehörden besonders interessant:
Wie bekannt, ging die Reederei Spenning & Co seinerzeit eine freiwillige
Schuldensanierung ein (genauer: Konkurs). Zu diesem Zeitpunkt hatte die
Reederei bereits mehrere hundert Millionen Kronen vom norwegischen Steuerzahler
eingestrichen – Schecks, die von der staatlichen Garantiegemeinschaft für
Schifffahrt unterschrieben waren. In diesem Zusammenhang erinnern wir uns
besonders an ein Interview, das Georg Spenning
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