Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
Vom Netzwerk:
spät.«
    Anders goss Zuckerwasser ins Glas und hielt es dem Vater
unters Kinn, der trank wie ein kleines Kind. Ein grauer Schleim aus Wasser und
Zucker rann ihm aus dem Mundwinkel. Anders musste an Martins Kalb denken, das
Kalb, das mit der Flasche gesäugt wurde, weil die Kuh nichts mit ihm zu tun
haben wollte.
    Ein wenig später saß Anders mit Stift und Papier neben ihm,
während der Vater sein Testament diktierte. Er wusste nicht, zum wievielten
Mal er das tat, aber die meisten der Verfügungen kannte er auswendig. Trotzdem
schrieb er alles auf, was der Vater mit belegter Stimme murmelte. Anders war
ein bisschen gespannt darauf, was Papa Bette Line Spenning vermachen würde. Er
kaute auf dem Kuli und wartete. Aber der Vater erwähnte sie nicht. »Du musst
Kontakt mit Røhne aufnehmen«, flüsterte er. »Rechtsanwalt Røhne. Er hat
seine Kanzlei in der Colbjørnsens Gate. Sag ihm: Die Mauern fallen.«
    Anders betrachtete, was er geschrieben hatte. Er faltete das
Blatt zusammen und steckte es in die Tasche. Sie wussten beide, dass Anders
niemals mit besagtem Herrn Røhne sprechen würde. Der ganze Quatsch mit dem
Testament war etwas, das sich sein Vater in seiner Katerstimmung ausdachte. In
einer Woche würde alles vergessen sein – bis er sich wieder betrank, bis er
wieder Zuckerwasser trinken, Beruhigungsmittel nehmen und sich aufs Neue
verabschieden musste.
    Nachdem Anders die Tür hinter sich geschlossen hatte, ging
er in Per Oles Zimmer. Sein Bruder saß am Schreibtisch und machte
Hausaufgaben. Per Ole drehte sich um. »Neues Testament?«
    Anders nickte.
    »Bette Line Spenning?«
    Anders schüttelte den Kopf.
    »Irgendwelche neuen Frauen?«
    »Nein.«
    »Überhaupt irgendwas Neues?«
    »Ein neuer Anwalt.«
    Per Ole wandte sich wieder um. »Solange keine neuen Frauen
dabei sind, ist es ja wurscht.«
    Per Oles schlanke, bleiche Finger drückten das Lineal aufs
Papier und zogen zwei schwarze Linien unter das Ergebnis. Zwei perfekte Linien.
Per Ole zeichnete Linien, wie Anders sie nie hinbekommen würde. Exakt die
gleiche Länge, überall exakt der gleiche Abstand zwischen den Linien. Und
immer das richtige Ergebnis. Immer die eleganten roten Haken des Lehrers auf
dem Papier.
    »Ich dachte, es wäre gut, wenn er ein bisschen schlafen
würde, darum habe ich ein paar Pillen reingerührt.«
    Per Ole hielt mit dem Bleistift inne. »Librium? Diese
Kapseln, die man aufmachen kann, mit Pulver drin?«
    »Nein, als ich es das letzte Mal mit denen versucht habe,
hat er angefangen, einen Kugelschreiber zu rauchen.«
    Per Ole legte das Lineal zur Seite. »Wie viele hast du
genommen?«
    »So zehn bis zwölf.«
    »Das sind viel zu viele.«
    »Hast du es mal mit den roten probiert?«
    »Letztes Jahr, als du im Ferienlager warst. Da ist er
andauernd aufgewacht und wollte im Schlafanzug spazieren gehen. Er wollte ins
Einkaufszentrum und Bier kaufen. Da habe ich die roten Pillen klein gemacht und
ins Zuckerwasser gemischt. Ich glaube, es sind Schlaftabletten. Aber er hat
nicht geschlafen, sondern ist durch die Gegend getaumelt, gestolpert und hat
sich am Türrahmen gestoßen. Irgendwann ist er dann zurück ins Bett gefallen
und hat weitergeschlafen.«
    »Wie viele waren es da?«
    »Wie viele was?«
    »Wie viele von den roten?«
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Vielleicht sollte ich mit fünf anfangen. Oder zehn?«
    »Auf der Dose steht nicht, wie sie wirken. Vielleicht sind
die roten für die Nerven und die blauen zum Schlafen. Das Problem ist, dass er
heimlich Schnaps trinkt.«
    »Den hab ich ihm weggenommen.«
    »Was hast du damit gemacht?«
    »Mit dem Schnaps?«
    Per Oles scharfer Blick. »Ja, mit dem Schnaps.«
    »Dachte, ich behalte ihn für mich.«
    Per Ole konzentrierte sich wieder auf seine Hausaufgaben und
rechnete weiter. Zwei Linien unter das Ergebnis. Zwei perfekte Linien. Gleich
lang.
    Es sollte eine norwegische Ausgabe von Woodstock am
Holmenkollen stattfinden. Anders und Stian nahmen die Straßenbahn nach
Hovseter und schlenderten von dort aus über die Wiesen weiter. Die Sonne
schien von einem klaren blauen Himmel. Es war warm, und unter der
Straßenbahnbrücke stand ein Typ und sang Country Joes Woodstock-Hit, den
I-Feel-Like-I’m-Fixin’-To-Die Rag.
Anders und Stian legten sich
unterhalb des Holmenkollen-Restaurants ins Gras und besprachen unterschiedliche
Strategien, wie sie sich hineinmogeln könnten. Dabei betrachteten sie den
Menschenstrom, der sich über die

Weitere Kostenlose Bücher