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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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ihren fast nackten Körper im Spiegel
an, dann öffnete sie.
    Sie fuhr zusammen. Sie schaute geradewegs in das Gesicht
ihres Mannes Erling Sachs.
    »Er kommt nicht.«
    Es fiel kein Name. Das war nicht nötig. Sie wandte ihm den
Rücken zu, steif und mit einem kalten Schmerz tief in der Magengrube, und sie
zwang sich, zu fragen: »Woher weißt du, dass er nicht kommt?« Kaum war die
Frage ausgesprochen, ließ dieses kalte Fehlen von Gefühlen sie schaudern.
Sogar der Zorn ihres Mannes hätte sie in diesem Augenblick gewärmt.
    »Er und ich sind uns handelseinig geworden.«
    »Handelseinig?«
    »Er hat dich verkauft, Bette Line.«
    Sie wandte sich dem harten Gesicht zu, das in einer Grimasse,
die ein hochmütiges Lächeln sein sollte, erstarrt war. Ihr Ehemann saß da,
mit gebeugtem Rücken, wie ein Geier, der auf einem Ast in der Einöde wachte.
Die Brille war undurchsichtig. Sie dachte: In dieser Gesellschaft habe ich mein
Leben verbraucht.
    Sie verspürte den Drang nach frischer Luft, zog das Rollo
hoch, öffnete das Fenster und sog in langen, tiefen Zügen die frische Luft
ein. Es kostete sie Mühe, ihre Stimme zu kontrollieren, als sie die Worte
sprach:
    »Was musstest du bezahlen?«
    Die darauf folgende Stille war lang und unangenehm. Sie hatte
Lust, ihn zu verlassen, und sagte es:
    »Ich gehe jetzt.«
    Sie dachte: Das hat er nicht erwartet.
    Schließlich räusperte er sich und sagte: »Weißt du, dass
es das zweite Mal ist?«
    Sie drehte sich zu ihm um. Er stand aufrecht vor ihr, das
Gesicht noch immer starr, doch seine Gestalt drohend und düster, als er
flüsterte. »Es ist das zweite Mal, dass ich dich von einem Mann zurückkaufe,
Bette Line.«
    »Das zweite Mal? Was redest du da?«
    »Der Physiotherapeut, der Paki. Der dich plötzlich
gesundschrieb und keine weiteren Termine mit dir vereinbarte.«
    Bette Line schwankte. Sie hörte, was er sagte, verstand auch
die Bedeutung, aber sie fühlte, wie die Worte an einer Stahlrüstung irgendwo
in ihr abprallten. Sie ließ das Schweigen auf sich beruhen. Und in diesem
Schweigen wurden Jahre aufs Neue durchlebt – revidiert. Sätze, Momente, die
vertraulich hätten sein können, erschienen nun berechnet und falsch. Als sie
den Blick wieder hob, war sie eine andere, und sie betrachtete einen ganz
anderen Menschen. Diese Frau sah nichts anderes als eine Hülle vor sich.
Erling Sachs war zu einem Fremden geworden, der ihr den Weg versperrte und die
Tür verschloss. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und fragte kalt: »Wärst
du so gut, aus dem Weg zu gehen?«
    Es musste ihr Tonfall gewesen sein, der ihn veranlasste, ihr
zu gehorchen, doch seine Stimme war ebenso kalt: »Wohin willst du?«
    Sie ging zur Tür und öffnete sie. »Weg«, sagte sie kurz,
»so weit weg, wie ich kann.«
    Die ersten Tage verliefen für das Ehepaar in der gewohnten
Weise. Anfangs bemerkte ihre Tochter Ulrikke kaum, was los war – sie befand
sich in einer Lebensphase, in der Freunde und puppengleiche Pop- und Filmstars
alles bedeuten, daher fiel es ihr nicht auf, dass die Mutter ein eigenes
Schlafzimmer bezog. Zwei Wochen später hatte Bette Line eine Wohnung in der
Niels Juels Gate gekauft, die in weiteren zwei Monaten bezugsfertig sein
sollte. Sämtliche wirtschaftlichen Differenzen mit ihrem Mann überließ sie
denselben Anwälten, die schon ihren Vater vertreten hatten. Die waren
glücklich – als wäre sie ein vermisstes Kind, das endlich nach Hause
gefunden hatte.
    Die zwei Monate vergingen mit Umzugsvorbereitungen. Bette
Line erledigte die Dinge gründlich. Sie beaufsichtigte die Handwerker
persönlich und holte sich Rat von Einrichtungszeitschriften und Freundinnen.
Letztere machten großes Theater, weil sie darauf bestand, ihr neues
Schlafzimmer mit einem Doppelbett auszustatten.
    »Bette Line, was hast du vor?«
    »Schluss jetzt, ich könnte nie in einem schmalen Bett
schlafen. Außerdem ist ein bisschen Platz ja nur praktisch – ihr wisst
schon, wenn man sich zum Beispiel einen Toyboy angelt.«
    »Bette Line, ich glaube du spinnst. Überleg dir, was du
sagst!«

33
    Per Ole begriff, wie gravierend der Vorfall zwischen ihm und
Renate gewesen war. Nachdem er die Ereignisse wieder und wieder durchgegangen
war, kam er zu dem Schluss, dass diese spezielle Episode in ein höchst
filigranes Gefühlsgeflecht verstrickt war. Das machte es schwierig, die
Angelegenheit an sich und deren Triebfedern unter ethischen Gesichtspunkten als

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