Schwarzes Gold Roman
Grangruppe?«
»Es ist eindeutig, dass Gran und Lindeman sich
zusammengetan haben. Das wirkt überstürzt und wenig klug. Spenning und die
Riebergruppe haben nur wenig gemeinsam. Nun, jedenfalls ist es Lindeman mit
falschem Spiel und einigen Tricks gelungen, Nésliens Machtübernahme zu
verhindern. Aber ich glaube, dass der Deal, den Lindeman mit Gran eingegangen
ist, ein ziemlich unangenehmes Damoklesschwert werden kann.«
»Die Zeit der harten Worte ist also noch nicht vorbei.
Mit dieser Aussage machen wir in der Nachrichtenredaktion jedoch einen Punkt
hinter den Streit um Spenning AS. Sieg auf der ganzen Linie für Vebjørn
Lindeman. Wir schalten zurück ins Studio in Marienlyst.«
Um zwei Uhr in der Nacht war Vebjørn noch immer nicht ins
Bett gegangen. Er schenkte sich Milch in ein Cognacglas, lehnte sich im Sessel
zurück und betrachtete die Straßenbeleuchtung vor dem Fenster. Selbstironisch
hob er das Glas und nippte an der Milch. Da klingelte das Telefon. Einen
Augenblick starrte er in die dunkle Ecke, in der das Telefon stand. Es
erinnerte ihn an die Zeit, als Georg Spenning noch lebte. Aber Georg Spenning
war tot.
Er wusste, wer anrief, wer es sein musste. Aber er machte
nicht die geringsten Anstalten, aufzustehen oder das Telefon auch nur
anzurühren. Mit bleichem Gesicht blieb er sitzen und starrte die Tapete an.
Ein Knirschen holte ihn zurück in die Wirklichkeit. Er schaute auf den Boden.
Das Cognacglas war zwischen seinen Fingern zersprungen. Rotes Blut tropfte in
die weiße Milch. Er betrachtete das Farbenspiel und überlegte, ob es
verwunderlich war, dass er keinen Schmerz von der Wunde in der Hand spürte.
32
Bette Line Sachs verließ die Telefonzelle. Sie überquerte
die Gyldenløves Gate und stieg die Treppe hinauf. In der Wohnung zog sie sich
aus und ließ sich auf der Matratze nieder. Sie kämmte sich die Haare,
während sie in dem kahlen Raum, den sie sich zusammen mit Vebjørn geschaffen
hatte, wartete: eine Matratze, ein Spiegel und ein Kühlschrank. Das
Deckenlicht flackerte, als der Kühlschrank ansprang. Vielleicht stand der
Kühlschrank ein wenig schräg, denn das Brummen verstärkte sich zu einem
Laut, der sich lärmend wie ein Presslufthammer in der dunklen Stille des
Zimmers ausbreitete. Sie zog die Bürste mit langsamen Strichen durch ihr Haar,
hob den Arm und wiederholte die Bewegung wieder und wieder. Dabei betrachtete
sie ihre Konturen im Spiegel. Sie hielt inne, warf einen Blick auf den
Bürstenkopf, entfernte einige Haare, die sie zusammenrollte, ehe sie fortfuhr,
sich zu kämmen. Die Sonne schien durch die Spalten des Rollos und legte ihren
Körper in einen dunklen Schatten. Ich werde langsam alt, dachte sie und hielt
erneut inne. Ein Déjà-vu. Das habe ich schon mal gesehen: ein verblasstes
Bild einer alten Fantasie. Sie, in einem leeren Raum, wartend – auf was?,
dachte sie, auf einen Traum? Auf dem Boden neben dem Bett stand ein Pappteller,
auf dem sie ein Stück Melone angerichtet hatte. Daneben ein Glas mit Wasser.
Sie war ein Körper in einem Zimmer. Die Träume, die sie einst mit Vebjørn
geteilt hatte, waren mit den Jahren der Trennung verschwunden. Dass sie
zusammen waren, war daher eigentlich nichts weiter als der flüchtige
Nachgeschmack von etwas, das längst konsumiert war – sie und Vebjørn waren
verzweifelt auf der Suche nach etwas, von dem sie tief in ihrem Inneren
wussten, dass es verloren war. Dennoch suchten sie weiter, wiederholten
dasselbe Ritual, indem sie sich auf dieser Matratze in regelmäßigen
Abständen ein wenig Zärtlichkeit schenkten.
Das Rollo klirrte leise im Luftzug des gekippten Fensters.
Sie schloss die Augen und atmete tief ein, dann legte sie sich hin. So lag sie
mit geschlossenen Augen, bis sich einschlief. Sie schlief lange. Das Rollo
klirrte weiter gegen das Fenster, der Kühlschrank brummte schwer und schaltete
sich gelegentlich mit kleinen Seufzern aus. Diese sparsame Geräuschkulisse
umgab die Frau, die in tiefem Schlaf auf der Matratze in diesem dunklen Zimmer
lag. Sie schlief so fest, dass sie den Wagen, der vor dem Haus anhielt, nicht
hörte.
Doch als im Treppenhaus Schritte erklangen, schlug sie die
Augen auf. Sie lächelte sanft und blieb noch ein paar Sekunden liegen, den
Blick auf die Stuckrosette an der Decke gerichtet. Als es an der Tür
klingelte, runzelte sie erst die Stirn, doch dann setzte sie sich auf, rieb
sich die Augen und ging zur Tür. Sie sah
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