Schwarzes Gold Roman
Wohnung auf,
zunächst in den Vasen, die sie besaß, dann in Wasserkrügen, Gläsern, leeren
Saftkartons und allem, das Wasser und Stiele gleichzeitig aufnehmen konnte.
Diese unwirkliche Kulisse faszinierte sie sehr – sie aß, schlief, arbeitete
und lebte in einer Wohnung mit der Atmosphäre eines Rosariums, das bald mehr
von Rosen als von persönlichen Gegenstände geprägt war. Und als die Rosen
verwelkten, wurden sie nicht braun und hässlich, sie wurden einfach dunkelrot
und fast noch schöner als der Nachschub, der jeden Tag eintraf: schwülstige,
frische Rosengebinde aus
Peace
mit ihren knallroten Blütenblättern,
begleitet von der Mutante
Chicago Peace
– einer gefüllten und
molligen Variante mit einem Einschlag von Orange am Blütenansatz. Manchmal war
der farbliche Übergang des Straußes dezent, zusammengestellt aus der schwach
orangefarbenen
Whisky Mac
oder der etwas röteren
Alexander,
mit ein paar Einsprengseln von
Adolf Horstmann.
Renate hatte Per Ole
einmal verraten, dass sie den Duft von Rosen liebte, vielleicht war er deshalb
so sehr darauf bedacht, Aromaarten wie
Duftwolke,
die goldene oder
gelbe
Landora
oder die weiße
Polarstern
zu schicken. Er
hatte auch eine Duftrose ausgewählt, die der Florist
Ingrid Bergman
nannte – wohl wegen ihrer außergewöhnlichen Schönheit (es war die fast
perfekte Rose, wohlriechend und mit dunkelroten, dichten Blütenblättern in
der fülligen und tiefen Ewigkeit eines Blumenkopfes, der über einem Blattwerk
thronte, das glatt und grün wie Wachs war). Sie war auch als Tribut an Renates
Schönheit gedacht, die Per Ole mehr als einmal kokett und ungeschickt mit der
jener Diva verglichen hatte (auch wenn er immer wieder betonte, dass Renate
viel schöner war. Die Bergman war blond, Renate dunkel – außerdem hatte die
Diva ein bisschen zu hohe Wangenknochen, was ihr Gesicht runder und weniger
aristokratisch als Renates aussehen ließ). Überdies schickte Per Ole Rosen
als Balsam für Renates Gefühle: Als Hommage an Renates Großmutter Leonora,
die sie über alles liebte, wählte er die elegante
Leonora Christine.
Jeder einzelne Strauß, der mit dem Boten vom Blumenladen Høegh in Vika
gebracht wurde, hatte seinen speziellen Charakter, seinen Duft und seine
Eigenart – genau wie eine Reihe Gläser, die mit prämierten
Jahrgangschampagnern gefüllt sind. Schlimmer war die Papiermenge. Täglich
musste Renate größere Posten Blumenpapier im Kamin verfeuern.
Gedankenverloren starrte sie in die Flammen, die einen goldenen Schein auf ihre
Haut warfen. Sie dachte an Anders, der bei ihrem Wiedersehen ein anderer Mann
gewesen war als der, den sie einst geliebt hatte. Nach einer solchen
dramatischen Papier-Kremierung knipste sie alle Blumenköpfe des soeben
angekommenen Rosenstraußes ab – diesmal eine muntere Kreation aus der
tiefroten
Erotica,
der scharlachroten
Hanne
und der nahezu
violetten, stark aromatischen
Duftrausch.
Dann legte sie die Blüten
in die Badewanne und füllte warmes Wasser und Badeöl ein, stieg in die Wanne
und masturbierte im Schein brennender Kerzen, wobei sie von ihrer Jugendliebe
fantasierte.
Im flackernden Licht rasierte sie sich die Beine, den
Geruchsinn beinahe betäubt von ätherischen Ölen. Und als sie später nackt
auf der Bettkante saß und sich mit langsamen, bedachtsamen Bewegungen
zunächst die Brüste, dann den Bauch, die Beine und schließlich die Füße
eincremte, las sie die Einladung zum Skiurlaub in der Schweiz und die
Hotelbroschüre, die Per Ole dem Strauß wohlerzogen beigelegt hatte.
Sie zündete sich noch eine Zigarette an und dachte an den
Abend zurück. Sie musste der Tatsache ins Auge sehen, dass sie nicht mehr sehr
viel davon in Erinnerung hatte – abgesehen von der Nervosität, Anders
wiederzusehen.
Sie erhob sich, ging zum Schreibtisch, öffnete die oberste
Schublade und suchte eine Postkarte mit einem scharf gezeichneten,
schattenreichen Motiv von Man Ray heraus: Das mystische Profil einer
dunkelhaarigen Frau. Auf die Rückseite schrieb sie zwei Buchstaben. OK.
34
Per Ole bestand darauf, die Alpen im Porsche zu überqueren.
Doch selbst wenn der Traum, in einem kleinen Sportwagen über die Alpen zu
fahren, endlich wahr zu werden schien, musste er einsehen, dass der Platz für
Gepäck von zwei Skiurlaubern, die auf keine der modernen Annehmlichkeiten
verzichten wollten, nicht ausreichte. Deshalb schickten sie das Gepäck voraus.
Bevor sie schließlich
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