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Schwarzes Gold Roman

Schwarzes Gold Roman

Titel: Schwarzes Gold Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kjell Ola Dahl Anne Bubenzer
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mich nicht.
Ich lege diesem Brief ein altes Foto Ihres Großonkels Ludvig bei. Auch wenn es
wegen des Schnurrbartes vielleicht nur schwer zu erkennen ist, kann ich Ihnen
versichern, dass Sie einander sehr ähnlich sehen.
    Lieber Jimmy, meine Verwandtschaft wiederzufinden ist
für mich ebenso anrührend und erfreulich, wie es für Sie sein muss, wenn Sie
endlich von uns hören. Ich habe das Gefühl, angekommen zu sein. Doch
zunächst wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute und hoffe, dass wir näher
miteinander in Kontakt treten werden. Ich freue mich bereits darauf, Ihnen von
Ihren Verwandten in Norwegen zu erzählen, all die großen und kleinen
Geschichten. Zögern Sie nicht, sondern schreiben Sie uns. Eine ganze kleine
Familie wartet gespannt darauf, den Verwandten aus Amerika
kennenzulernen.
    Ergebenste Grüße
    Ihre Liv Lindeman, geb. Samuelsen
    Es war weit nach Mitternacht. Anders stand am Wohnzimmertisch
und las den Brief, den seine Mutter an James Cagney geschrieben hatte. Als er
fertig war, legte er das Blatt zurück. Er schlich die Treppe hinauf und
grinste ins Dunkel. Jetzt ist Mama völlig durchgeknallt, dachte er. Sie hat ja
nicht mal auf Englisch geschrieben!

21
    Als Per Ole nach Norwegen zurückkehrte, gründete er mit Jim
Klafstad eine Firma. Das Unternehmen erhielt den Namen KLAPO AS. Sie hielten
beide gleiche Anteile. Die Geschäftsidee lautete folgendermaßen:
    KLAPO AS vermittelt die Grundlagen der Kursvoraussage und
der Chart-Erstellung und vertreibt Charts in gebundener Form.
    Die beiden erstellten ein kleines Buch, ein Heft. Sie gaben
ihm den Titel
Aktienliste.
Darin hatten sie sämtliche Kursdiagramme
gesammelt, die sie an den Abenden in St. Gallen gezeichnet hatten. Dazu hatten
sie zu jeder Aktie die Tendenz und die reelle Entwicklung beigefügt. Sie
veranschlagten dafür einen Stückpreis von 199 Kronen.
    Der erste Kurs begann am 20. August 1981. Sie hatten dafür
einen Klassenraum in Økern angemietet. Økern erschien ihnen ein angemessen
zentraler Ort zu sein, sodass kein Interessent sich ausgeschlossen fühlen
würde, weil der Kurs zu weit im West- oder Ostteil der Stadt stattfand.
    Sie waren beide nervös. Zwar hatten sie die Hoffnung, dass
sich vereinzelte Interessenten einfinden würden, doch sie befürchteten ein
Fiasko. Verstohlen schauten sie durch die Fenster hinunter zum Schulhof.
    »Siehst du jemanden?«
    »Nein.«
    »Was machen wir, wenn keiner kommt?«
    »Irgendjemand muss doch die Anzeige gesehen haben.«
    Als sie mit angehaltener Luft durch die offene Tür des
Klassenzimmers traten, konnten sie erleichtert aufatmen. Es war brechend voll.
In den Reihen saßen Männer mittleren Alters mit Lederflicken an den Ellbogen,
junge Männer mit neuen Aktenkoffern und mit brillantinegekämmtem Haar, dort
saßen Handwerker im Blaumann mit Baustaub auf den Hosen. In der ersten Reihe
saß ein kleiner Streber, die Brille schief auf der Nase und Mamas Strickpulli
über dem speckigen Bauch, dahinter ein selbstsicherer Kerl im Mantel, der sehr
bemüht war, interessiert auszusehen. Die Pulte waren besetzt von allen
erdenklichen Männertypen – und es gab keine einzige Frau.
    Jim sammelte das Kursentgelt in einem Pappkarton für
Kopierpapier. Wie ein Kirchendiener bei der Kollekte eilte er durch die Reihen.
Per Ole hatte einige Charts auf Over-head-Folie kopiert. Er bat die Teilnehmer,
ihnen die Fachterminologie nachzusehen, und ermunterte sie, jederzeit mit
Fragen zu unterbrechen. Er referierte über die Kursentwicklung bei Tandberg
Data, bei IBM, die er mit der bevorstehenden Revolution der Datentechnik
begründete. Er behauptete, dass in wenigen Jahren jeder seinen eigenen
Computer zu Hause im Wohnzimmer haben würde, und untermauerte diese These mit
der Medienentwicklung im Allgemeinen und dem industriellen Boom der
Hochtechnologie, wie sie in der Gegend um San Francisco – dem sogenannten
Silicon Valley – entstand, im Besonderen. Dabei zog er unablässig Vergleiche
mit Charts, Kursen, Trends und Tendenzen.
    Sie verkauften alle Exemplare der
Aktienliste
, die
sie dabei hatten. Einzelne Kursteilnehmer wollten sogar mehrere Exemplare
kaufen.
    Nach Abschluss des Unterrichts kam ein älterer Herr auf Per
Ole zu. Er trug einen Parka über dem Arm und eine Brille auf der Nase. Er
sagte: »Erinnerst du dich an mich? Ramberg?«
    Per Ole nickte. Von allen Lehrern hatte er Ramberg immer am
wenigsten gemocht, weil er Religion unterrichtete.

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