Schwarzes Prisma
aber ebenfalls zu wissen, dass es noch schlimmer wäre, im Niemandsland zwischen ihnen zu stehen.
Kip kehrte in seine Räume zurück und packte ein, wovon er vermutete, dass er es benötigen würde. Umhang und Essen und noch mehr Essen und das Kurzschwert und einen Stock Zinnmünzen in einem Geldgürtel. Es war mehr, als er zu benötigen glaubte – er hoffte, dass sie ihm das verzeihen würden, aber er würde vielleicht Geld für Bestechungen brauchen. Dann kam er zu dem Schluss, dass er ihnen einen Brief hinterlassen musste, damit sie keine kostbare Zeit auf die Suche nach ihm vergeudeten.
Auf dem Schreibtisch in seinem Zimmer fanden sich eine Feder und Pergament, also kritzelte er mühsam die Briefe. »Ich bin Tyreaner und jung. Als Spion von größerem Nutzen als hier. Niemand wird mich verdächtigen. Werde versuchen, Karris zu finden.« Er unterschrieb den Brief, faltete ihn zusammen, nachdem die Tinte getrocknet war, und steckte ihn unter Livs Bettdecke.
Dann schrieb er einen weiteren. »Bin weggegangen, um etwas zu essen zu kaufen und mir die Darbietungen der Minnesänger anzusehen. Erschüttert nach dem Wandeln. Werde bis Mitternacht zurück sein.«
Diesen ließ er auf seinem Schreibtisch liegen. Sie würden ihn zuerst finden und ihm damit einen Vorsprung geben. Sie würden erst nach Einbruch der Nacht herausfinden, dass er tatsächlich verschwunden war. An diesem Punkt würden sie wissen, dass er sich schon zu weit entfernt hatte, um ihn noch einfangen zu können.
Mit, wie er fand, verdächtig überladenen Satteltaschen ging Kip an den Torwachen vorbei und zum Stall.
»Ich brauche ein Pferd«, erklärte Kip dem Stallburschen herrisch.
Der Mann erwiderte seinen Blick und entfernte sich nicht von seiner Position an der Mauer, an der er lehnte. »Gibt es hier«, bemerkte er.
Kip wurde flau im Magen. Der Mann kaufte ihm nicht ab, dass er jemand war, der Befehle erteilen konnte. Wenn Kip kein Pferd bekommen konnte, konnte er nichts tun. Es würde der kürzeste Fluchtversuch in der Geschichte sein. Er war nicht einmal aus dem Haus gekommen. »Äh, ich brauche nichts allzu Protziges und nichts allzu … Temperamentvolles.«
»Kein großer Reiter, hm?« Der Tonfall des Mannes sagte: Er wird wohl auch kein großer Mann sein.
Gestehe deine Unfähigkeit und liefere dich seiner Gnade aus, Kip. »Wie ist dein Name, Scheißeschaufler?«, fragte er stattdessen. Ups.
Der Stallbursche blinzelte und richtete sich unbewusst auf. »Gallos … Herr«, fügte er unsicher hinzu.
»Ich reite nicht oft diese stinkenden Fleischfässer, aber ich brauche eins, das verlässlich ist, das mit meinem fetten Hintern fertig wird und das nicht in Panik gerät, wenn ich Magie benutze, verstanden? Und ich habe keine Zeit für deine Insubordination.« Gab es das Wort überhaupt? Der Stallbursche wusste es wahrscheinlich auch nicht. »Wir haben Krieg. Hol mir mein verdammtes Pferd, und spar das Scheißeschaufeln für deine Gehilfen auf.«
Der Stallbursche bewegte sich mit großem Eifer und sattelte ein altes Zugpferd. »Das Beste, was ich für Eure Zwecke habe, Herr«, erklärte der Mann.
Ein Zugpferd? So fett bin ich nun auch wieder nicht.
»Entschuldigung, Herr, es ist das Einzige, das ich habe.«
»Es wird genügen«, erwiderte Kip. »Vielen Dank.« Es war nicht nötig, sein Glück auf die Probe zu stellen. Der Steigbügel sah jedoch unmöglich hoch aus. Statt sich zu demütigen, indem er versuchte, aufzusitzen, und höchstwahrscheinlich keinen Erfolg zu haben, ergriff er die Zügel und führte das Tier in die Stadt hinaus, nachdem er dem Stallburschen gönnerhaft ein Trinkgeld gegeben hatte.
Orholam, ich war wirklich ein Arschloch. Kip wusste nicht, was es beunruhigender machte: dass er, indem er ein Arschloch gewesen war, prompt seinen Willen bekommen hatte, oder dass er es genossen hatte, seine Überlegenheit gegenüber einem anderen zu demonstrieren. Daheim wäre er ausgepeitscht worden, und er hätte es verdient gehabt.
In den Straßen blickte er sich um, bis er einen Mann fand, der ungefähr seine eigenen Maße hatte; er trug trotz der Hitze einen Mantel. Der Mantel sah alt und abgenutzt aus und kostete vielleicht so viel wie eine von Kips Manteltaschen. Kip tauschte mit dem Mann. Dann kaufte er in einer der Straßen, die zum Wassermarkt führten, Wein und Wasser und überzeugte einen Ladenbesitzer davon, dass er seinen prächtigen Umhang tatsächlich gegen einen aus schlichter Wolle eintauschen wollte, als er laute
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