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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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das für ein Ort?«, murmelte Kelland. Er war das einzig Feste auf der Welt. Von Bitharn oder dem Dorn war keine Spur zu sehen. Die Glut der Anwesenheit seiner Göttin im Herzen – vorhanden, selbst wenn er ihre Macht nicht kanalisierte – war erloschen; hier konnte er Celestia nicht in sich spüren. Um ihn herum spiegelten die Schattengesichter seine Frage mit klaffenden Mündern wider, die Kinnlade herabgefallen, und mühten sich mit einer Imitation von Sprache ab.
    Es ist … deiner. Die Antwort kam von überall um ihn herum: Es waren die Schattengesichter, die Antwort gaben. Sie sprachen in einem mannigfachen Säuseln, und jedes artikulierte ein Wort oder eine Silbe, bevor seine Stimme zu einem Flüstern herabsank oder sich zu einem Heulen erhob und eine andere den Faden ihres Gedankens aufnahm. Wir sind dein. Wir sind du. Deine Zukunft, sobald du nach Schattenfall gehst. Dein Scheitern. Dein Schicksal.
    Die Stimmen der Schatten, anfänglich so formlos wie ihre Gestalten, hörten sich mit jedem Wort mehr nach Kelland an. Verzerrt, gewiss, immer eine halbe Oktave höher oder tiefer oder behaftet mit einem Akzent, der dem Ritter selbst fremd war … aber es war eindeutig und unverkennbar seine Stimme. Und obwohl er wusste, dass es ein Teil der Falle des Perethil war, konnte er es nicht verhindern – es beunruhigte ihn, einen Chor seiner eigenen Stimme zu hören, der ihn anzischte, ebenso wie ihn die stetige Kakophonie seiner eigenen Seufzer und Schreie dahinter aus der Fassung brachte. Das allein war schlimm genug, aber er konnte einen Hunger in ihren Stimmen hören, der ihn entnervte. Die Schatten waren es nicht zufrieden, ihn nachzuahm en; sie wollten er sein, wollten seine Wärme und seine lebe ndige Wirklichkeit stehlen und sie als ihre eigene tragen.
    Kelland wusste nicht, ob irgendeine Magie des Perethil ihm diesen Gedanken in den Kopf gepflanzt hatte, oder ob es die Erinnerung an eine lange vergangene Lektion in der Sonnenkuppel war, aber er hegte keinen Zweifel. Das Verlangen in den zuckenden Schattengesichtern und ihre Enttäuschung über die Fehler, die sie bei ihrer Nachahmung begingen, waren zu roh, um falsch zu sein.
    Er ging davon, obwohl er in diesem Sumpf aus Schatten nirgendwo hingehen konnte. Die gesichtslosen Schatten folgten, wispernd und murmelnd, dem Ritter dicht auf den Fersen wie ein Rudel geisterhafter Hunde. Kelland ignorierte sie. Als er das erste Mal durch das Perethil gegangen war, hatte der Wahnsinnige Gott ihn mit rohem Schmutz und entarteter Begierde angegriffen. Ein offensichtlicher Angriff und ein wenig wirkungsvoller. Diesmal, so schien es, versuchte es das Perethil mit einem anderen Trick. Hältst du dies nur für einen Trick? Falsch, falsch, sagten die murmelnden Schatten, und alle griffen den Refrain auf, schrill und seufzend: Falsch, falsch.
    Dies ist dein Schicksal. Die Früchte deiner Zweifel. Die Dornen haben dich niemals geprüft, nicht richtig. Sie haben dich behalten, aber sie haben nie versucht, dich zu brechen. Die Spinne wollte dich unversehrt. Ohne deine Macht wärst du nutzlos gewesen. Und doch hast du immer noch gezweifelt, selbst damals, und diese Saat ist zu einer tödlichen Blüte aufgegangen.
    Du stehst jetzt am Rand der Ketzerei. Du weißt, dass das wahr ist. Schlaflose Nächte, von Zweifeln erfüllte Tage. Du hast die Hand des Bösen ergriffen, hast den Dorn umarmt, den du hättest erschlagen sollen. Blinder Narr, scheiternder Narr – du zappelst dich mit deiner Liebe ab, stößt sie in deiner Unbeholfenheit von dir, und du versagst auch ihr gegenüber. Versage … und falle … und komme her zu uns, vergessen.
    Wohl kaum, wollte er erwidern, aber bevor er die Worte aussprechen konnte – bevor er auch nur den Gedanken richtig ausgebildet hatte –, stolperte er aus der Traumlandschaft des Perethil heraus zurück in die Welt, die er kannte. Sie war genauso dunkel, genauso erfüllt von schwankenden Schatten … aber hier wurden sie von realen Dingen geworfen, und sie tanzten nur mit dem Wind.
    Ein Turm ragte über ihm auf, umringt von zerstörten Hallen. Seine Spitze stach in die Bäuche tiefhängender Wolken hinein; sein Sockel war umkränzt von schneeweißen Blütenblättern, silbrig blau im Mondlicht, die von den Kirschbäumen hinter ihm herabgefallen waren. Celestianische Sonnenzeichen glitzerten auf der Spitze des Turms, aber sie schenkten Kelland keinen Trost. An diesem Ort bedeutete dieses Zeichen lediglich, dass ihre Anhänger zuvor gescheitert

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