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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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waren. Bitharn stand neben ihm. Ihr Gesicht war blutleer, und die Knöchel ihrer Hände, die sie herabhängen ließ, waren weiß; sie starrte den Eingang des Turms an, als lese sie in den Rostflecken von ihrem eigenen Tod. Malentir wartete einen Schritt entfernt, aufreizend heiter.
    »Wie könnt Ihr so ruhig bleiben?«, fragte Bitharn den Dorn.
    »Wie könnt Ihr nicht ruhig bleiben?« Er strich sich das Haar hinter die Ohren und sah an ihr vorbei zum Eingang des Turms hinüber. »Wir werden für so etwas ausgebildet. Ihr etwa nicht? Alles, was ein Feind uns antun könnte, jede Folter, der er uns unterziehen könnte, haben wir bereits selbst erduldet und überlebt. Was die Menschen am meisten fürchten, ist das, was sie nicht kennen, und es gibt herzlich wenig, was uns unbekannt bleibt. Jeder, der so lange überlebt, dass er den Turm der Dornen verlassen kann, hat bereits jegliche Folter, die meine Herrin ersonnen hat, ertragen oder zumindest gesehen. Alles, was Maol versuchen könnte, ist daneben …« Malentir zuckte die Achseln. »Jeder wird brechen, wenn man ihn nur lange genug foltert. Aber dazu würde es mehr als zwei Wege durch die Illusionen eines Perethil bedürfen.«
    »Für mich gilt das vielleicht nicht«, murmelte Bitharn. Sie nahm ihren Köcher ab und sah Kelland an. »Bereit?«
    Er nickte und hob sein Schwert. Heilige Flammen säumten den Stahl. Umgeben von ihrem Schein ging Kelland voran.
    Die Schwelle war von Schutt übersät. Die Ruinen der oberen Stockwerke des Turms, zerstört durch eine gewaltige Explosion, lagen in rostigem Chaos rund um eine klaffende Grube, deren Wände Splitter aus Knochen und verbogenem Metall bedeckten. Zerknitterte schwarze Bänder flatterten daran, und nach einem Augenblick völligen Unverständnisses begriff Kelland, dass es die Überreste von Blut und Fleisch waren. In die Wände gehauene Holzbretter führten in einer ungleichmäßigen Spirale nach unten.
    Das Gefühl von etwas Bösem, das den Ort durchdrang, war überwältigend. Es pulsierte erstickend in der Luft; es schwitzte von den Wänden wie die Feuchtigkeit in einem Kerker. Kellands kleines Licht war zerbrechlich und verzerrt, und die erbarmungslose Tiefe drängte von allen Seiten heran. Kelland biss die Zähne zusammen, senkte den Kopf und zählte seine Atemzüge, bis sein Wille und die heilige Flamme sich etwas beruhigten.
    Zu seiner Überraschung schien die Wirkung auf den Dornenlord stärker zu sein. Malentir hielt die Augen geschlossen, sein Hals bebte; Schweißperlen sammelten sich an seinen Schläfen. Er brauchte länger, um den geistigen Angriff zu überwinden, als der Ritter.
    »Ich dachte, Ihr wurdet dafür ausgebildet«, bemerkte Kelland.
    »Das stimmt schon.« Malentir lachte hohl. Er wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die stählernen Dornen seines Armbandes hinterließen rote Kratzer auf der Haut. »Ja, das stimmt. Ich war … ich musste mich nur daran erinnern, das ist alles. Der Augenblick ist vorüber. Gehen wir.«
    Kelland betrat die ächzende Treppe. Bitharn blieb in seiner Nähe, den Bogen über die Schultern geschlungen, damit sie die Hände frei hatte. Malentir bildete schweigend die Nachhut. Die Wände der Grube wurden glatter, je tiefer sie hinabkamen, und anstelle der Erde, die von Metall durchsetzt war, trat glasiger, grünlich-schwarzer Stein. Gelegentlich erhaschte der Ritter Blic ke auf bleiche Gesichter, die sie durch diese Steine beobachteten, als wären sie dunkle Fenster zu einem anderen Ort – Narsenghal oder ein Echo davon –, aber er weigerte sich entschieden, in ihre Richtung zu schauen. Ob er die Gesichter sah, weil das Perethil ihm die Vorstellung in den Kopf gepflanzt hatte, oder weil sie wirklich vorhanden waren – er konnte nichts gewinnen, wenn er sie anstarrte.
    Beim Abstieg wurde die Luft immer heißer und fauliger. Kellands heiliges Licht begann am Rand zu flackern; Schwaden schwarzen Rauches wichen zischend vor seinem Schwert zurück. Ein schwelendes rotes Leuchten glomm unter der letzten Biegung der Treppe, das Herz der Grube.
    Am Fuß der Treppe befand sich eine schiefe Tür, die von einer aufgerollten Kette offengehalten wurde. Schuppige Haut klebte an dem eisernen Türgriff. Dahinter lag ein Labyrinth aus Knochen. Dumpfes, dunkelrotes Licht sickerte durch die Ringe des Labyrinths; es wurde für einen Moment verdeckt, als ein gebeugter alter Mann herausgeschlurft kam.
    »Gethel«, sagte Malentir. Der Name klang wie ein Fluch. Der alte Mann hob den

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