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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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keinen verloren. Das war immerhin etwas.
    Sie konnte auch nach wie vor sehen. Es war so dunkel, dass sie sich für einen Moment nicht sicher war, aber sie machte hinter den Wänden aus Knochen einen schwelenden Schimmer aus, und als sie ihre Lider berührte, spürte sie die Bewegungen der Augen darunter. Sie stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Blindheit war eine ihrer größten Ängste. Welchen Nutzen hätte ein Bogenschütze, der nicht sehen konnte?
    Sie ließ die Finger hinabwandern und strich über ihre Wangen. Dort spürte sie die Spuren von etwas, das zu klebrig war für Tränen und zu dickflüssig für Blut.
    Augen. Bitharn riss die Hände vom Gesicht und zuckte zusammen. Nein. Nein. Sie konnte sehen. Das konnten nicht ihre Augen sein, die über ihre Wangen tropften.
    Es sei denn, sie sind geheilt worden. War das möglich? Vielleicht. Sie erinnerte sich nicht genau daran, was das Ding in Gethels Haut mit ihr gemacht hatte. Sie wollte sich nicht daran erinnern. Die flüchtigen Eindrücke, die ihr geblieben waren, reichten völlig. Die Kreatur hatte sie in einen Kokon aus Schleim gehüllt, der sich mit Gewalt einen Weg in ihren Mund, ihre Nase und in jede Öffnung ihrer Haut gebahnt hatte. Sie war darin ertrunken, hatte den Schleim verschluckt, hatte begonnen, seine Widerwärtigkeit willkommen zu heißen, geradeso wie sie sich nach den Liebkosungen der Leichen im Perethil verzehrt hatte. Das war das Schlimmste, das Begehren …
    Hör auf damit. Hör auf. Es ist vorüber.
    Bitharn tastete nach ihrem Bogen. Er war wie durch ein Wunder unversehrt geblieben, obwohl sie bezweifelte, dass sie die Kraft hatte, ihn zu benutzen. Nicht dass es von Belang gewesen wäre. Ihre Pfeile waren weg; die letzten drei waren aus dem Köcher gefallen und zerbrochen, als dieses Schattending sie an die Wand geworfen hatte.
    »Es geht dir … gut?«, fragte Kelland zögernd und hielt ihr eine Hand hin. Sein Schild war verschwunden. Der Ärmel seines Schildarms war durchtränkt von Blut und etwas, das aussah wie Kiefernharz, aber keines war. Malentir musste auch über ihm gebetet haben, denn der Arm selbst in diesem zerrissenen Ärmel war anscheinend unversehrt, aber an seiner Brust und seinen Schultern blutete es noch immer aus kleinen Schnittwunden. Es war schwer, in der Düsternis das Ausmaß seiner Verletzungen zu erkennen; Blut hob sich von seiner dunklen Haut nicht deutlich ab. Aber er sah genauso zerschunden aus, wie sie sich fühlte.
    Der ganze Ort wirkte zerschunden. Eine bleiche weiße Masse, durchsetzt mit matten Stahlringen, lag in sich zusammengesunken zu ihrer Rechten: die Häute der augenlosen Jäger. Nichts sonst war von ihnen verblieben. Am äußeren Rand der Grube hatte sich ein Ring aus Knochentrümmern und Metallstücken gesammelt; die Überreste der Skelettarmee, vermutete Bitharn. Viele der Holzbretter waren aus den Wänden gerissen und von den peitschenden Fangarmen zerschlagen worden oder vielleicht von dem Ding in Gethels Haut. Wer die Bretter auch zerstört hatte, sie würden diese Treppe unmöglich wieder hinaufsteigen können. Der einzige Ausweg führte durch die niedrige Tür am hinteren Rand der Grube, durch den alten Kerker der Rosewayns, es sei denn, Malentir war danach zumute, sie durch die Schatten zu tragen.
    Trotz der Zerstörung und der Tatsache, dass sie aufgrund der verloren gegangenen Treppe in der Falle saßen, fühlte sie sich im Raum sicherer als zuvor, als das Labyrinth aus Knochen noch vorhanden gewesen war. Die erstickende Bösartigkeit hatte nachgelassen … aber sie war, wie Bitharn erschöpft und entsetzt begriff, nicht verschwunden. Sie hing in der Luft wie ein schlechter Geruch, stärker zur Tür hin. Wir haben eine Schlacht gewonnen, nicht den Krieg. Der Gedanke war unerträglich anstrengend.
    Sie nickte Kelland müde zu und stemmte sich mithilfe ihres Bogens hoch, statt seine Hand zu ergreifen. Er hatte ihr im Kampf den Rücken zugekehrt. Er musste es tun. Andernfalls wären wir tot oder Schlimmeres. Das entsprach der Wahrheit und nahm etwas von dem Schmerz, aber es war dennoch ein Schock gewesen, die Augen zu öffnen und den Dorn über ihr stehen zu sehen, mit geisterhaften Augen und mitleidlos, statt Kelland.
    Sie hätte ihn gebraucht. Es war nicht gerecht, und sie war nicht stolz darauf, es zuzugeben, aber Bitharn war verletzt, dass er nicht da gewesen war. »Ich lebe. Ich weiß nicht so genau, ob ich sagen würde, dass es mir ›gut‹ geht. Kliastas Heilungen sind

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