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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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Nebaioth zu den Weißen Meeren. Auf die Privatbibliothek des Hohen Solaros waren Kaiser neidisch.
    Ohne es zu wollen, beeindruckte die Pracht des Sanktuariums Asharre, obwohl sie es schon früher gesehen hatte und keine besondere Ehrfurcht vor dem Mann in seiner Mitte empfand. Celestia war Oralias Göttin gewesen, nicht ihre, und obwohl Asharre nicht so töricht war, die Macht der Strahlenden in Ithelas zu leugnen, war sie doch auch nicht geneigt, den eigenen Kopf im Gebet zu senken. Die Göttin hatte sie in ihrer Zeit der Not im Stich gelassen. Asharre schuldete ihr gar nichts.
    Aber sie war sich bewusst, dass der Schweiß an ihrem Körper sich abkühlte, dass er ihr Haar verfilzte und die Kleider am Körper kleben ließ, und sie wünschte fast, sie hätte Heradions Andeutung beachtet.
    Zu spät. Heradion verneigte sich förmlich vor den letzten Wächtern und rezitierte die erste Hälfte des heiligen Verses, der als Passwort des Tages diente. Selbst wenn die Wachen die Gesichter ihrer Besucher sehen konnten, brauchten sie die Passworte für den Zutritt: Es war eine Schutzmaßnahme gegen Meuchelmörder, welche die Gesichter von Toten tragen konnten, oder Dornen, welche die Körper von Menschen in Besitz nahmen und sie benutzten wie Marionetten.
    Die Wachen erwiderten seine Verneigung und antworteten mit dem zweiten Teil des Verses. Etwas über die Jahreszeiten der Seele; Asharre hörte nur mit halbem Ohr zu. Die Türen zu den Privatgemächern des Hohen Solaros schwangen auf. Sie trat hindurch.
    »Der Hohe Solaros wird Euch in seinem Arbeitszimmer empfangen. Wisst Ihr, wo es ist?«, fragte Heradion.
    »Ich bin einige Male dort gewesen.« Mehr als einige Male. Es schien, dass sie jedes Mal dann gerufen worden war, wenn Thierras einen Heiler gebraucht hatte, der sich auf die gefährlichen Straßen hinauswagte. Damals war Asharre erfreut darüber gewesen, dass die Talente ihrer Schwester in ihrem Tempel so sehr anerkannt wurden, und stolz darauf, sie im Zuge ihrer Pflichten zu beschützen. Jetzt war diese Ehre bitter wie Asche, und der Gedanke an sie rief in ihr nur eine Leere hervor, die sich um einen Kern aus Zorn wand.
    »Dann werde ich hier auf Euch warten«, sagte der Junge, nahm ein Buch mit blauem Einband aus dem Regal und machte es sich auf einem Stuhl bequem. »Viel Glück.«
    Diese Bemerkung trug ihm ein Schnauben ein. Sie war nicht die Einzige, die Glück brauchen würde.
    Thierras war, wie Heradion gesagt hatte, in seinem Arbeitszimmer. Es war ein heller, luftiger Raum mit Kleeblattfenstern, die einen Blick über die südlichen Gärten ermöglichten. Rote und goldene Scheiben in den Fensterkreuzen warfen farbige Funken über den Parkettboden. Der Hohe Solaros saß an seinem Schreibtisch und las, als Asharre eintrat, ohne anzuklopfen, aber er erhob sich und neigte höflich den Kopf. »Asharre. Sigrir. Der Segen des Lichtes möge auf Euch ruhen.«
    Sie erwiderte weder die Grußworte noch die Höflichkeitsformel. Sie waren allein, sodass sie niemanden mit ihrer Grobheit schockieren konnte, aber sie hätte sich auch dann nicht die Mühe gemacht, Höflichkeit zu heucheln, wenn sie am Mittsommermorgengottesdienst in der Sonnenkuppel teilgenommen hätten. Zweifellos wusste Thierras das und hatte sie deshalb zu einem Gespräch unter vier Augen gebeten. »Irgendein Junge sagte, Ihr wolltet mich sprechen.«
    »Das ist richtig. Ich habe eine Aufgabe, und ich hoffe, Ihr wollt sie vielleicht in Erwägung ziehen.«
    »Ihr gebt mir keine Aufgaben. Ihr habt Oralia Aufgaben erteilt. Ich habe sie begleitet.«
    »Das weiß ich sehr wohl. Ich würde es mir nicht anmaßen, Euch einen Befehl zu erteilen. Dies ist lediglich … eine Bitte. Eine Gefälligkeit, wenn Ihr so wollt.« Thierras setzte sich wieder und legte die Hände auf dem Schreibtisch zusammen. Mit den Jahren hatten seine Schultern sich leicht nach vorn geneigt, und sein sandfarbenes Haar war dünner und grauer als zu der Zeit, als Asharre nach Cailan gekommen war, aber dadurch wirkte er noch selbstbeherrschter und würdevoller. Allein seine Stimme – geduldig, unendlich vernünftig – hätte ein Schlachtfeld beruhigen können.
    Bei ihr verfehlte das alles seine Wirkung. »Warum sollte ich Euch einen Gefallen erweisen? Ihr habt mir auch keinen getan.«
    Thierras seufzte. »Asharre, ich teile Eure Trauer. Ich werde sie nicht durch die Bitte schmälern, sie einfach hinter Euch zu lassen. Oralia war eine strahlende Seele. Aber die Bedürfnisse der Lebenden halten wegen

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