Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
darüber hinaus? Gesetze und Gelübde werden durch die Zeitalter weitergereicht, und einige von ihnen müssen wirklich befolgt werden, während andere … andere, denke ich, wurden von sterblichen Männern aufgestellt, die damit ihr eigenes Ansehen erhöhen wollten, während es den Göttern gleichgültig war. Und manchmal ist die Absicht alles, was zählt.
Wenn ich eine Lüge ausspreche, wissentlich, versagt meine Magie. Ehrlichkeit wird uns abverlangt. Es ist nicht schwer zu verstehen, warum: Die Wahrheit schneidet tiefer ein als jede Lüge, und wenn jeder weiß, dass die Dornen an die Wahrheit gebunden sind, kann niemand sein Leiden dadurch retten, dass er etwas anderes vorgibt. Was wir sagen, muss wahr sein. Das ist eine heilige Ordnung. Aber wenn ich etwas sage, das nicht wahr ist, während ich glaube, dass ich die Wahrheit spreche, geschieht nichts. Vollkommenheit wird nicht verlangt. Die Absicht zählt.«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«
»Es ist ganz einfach. Euer Keuschheitsgelübde ist eines, bei dem die Absicht den Unterschied bedeutet. Wenn der Akt nicht freiwillig vollzogen wird, ist er keine Sünde. Celestia zieht ihre Segnungen nicht zurück, wenn ihre Diener vergewaltigt werden … zum Verdruss einiger Soldaten meines Herrn, die gehofft hatten, dass wir hier vielleicht eine einfache Lösung gefunden hätten. Und wenn der Akt ein Ausdruck von Liebe ist und nicht auf niederen Begierden beruht, folgt keine Unreinheit der Seele und wiederum kein Verlust des Segens Eurer Strahlenden.«
»Bysshelios hat das geglaubt«, sagte Kelland grimmig. »Die bysshelinische Häresie hat den celestianischen Glauben beinahe entzweigerissen, bevor sie unterdrückt werden konnte. Die inneren Kämpfe waren erst vor knapp einem Jahrhundert beendet, und die Risse sind noch nicht verheilt. Einige Dörfer in den entlegenen Gebieten von Carthilcarn klammern sich noch heute an bysshelinische Glaubensvorstellungen.«
»Er hatte recht.«
»Er war ein Ketzer.«
»Ketzerei überlebt selten und breitet sich noch seltener aus, wenn in ihrem Kern nicht eine gewisse Wahrheit liegt.«
Kelland schüttelte den Kopf, sodass die Muschelschalen, die in sein Haar eingeflochten waren, klimperten. »Hübsche Versprechungen einer verräterischen Zunge. Ihr werdet mir vergeben, Herrin, dass ich lieber dem Hohen Solaros glaube als Euch, wenn es um die Vorschriften meines Glaubens geht.«
»Wie Ihr wollt«, murmelte die Stimme. »Ich kann Euch nicht zwingen zu glauben. Aber ich hoffe, Ihr werdet bald lernen, die Wahrheit zu akzeptieren, da Ihr bis dahin nutzlos seid.«
»Ich bedaure, Euch zu enttäuschen.«
»Nicht ich bin es, die Ihr enttäuscht. Es ist Euer Glaube, der Euch braucht, nicht ich. Die Eures Glaubens sind in Gefahr.« Sie neigte höflich den Kopf und erhob sich, um den Raum zu verlassen. »Aber jetzt naht der Sonnenuntergang, und ich werde mich verabschieden. Ich habe nicht den Wunsch, Euch bei Euren Gebeten zu stören.«
3
Dreizehn.
Schweiß tropfte Asharre in die Augen, als sie das Kinn über die Eisenstange hob, um die sich ihre Fäuste klammerten. Sie blinzelte den Schweiß weg, ignorierte das Brennen und ließ sich absichtlich langsam herabsinken. Ihre Arme brannten, ihr Kiefer war so verspannt, dass es schmerzte, und ihre Füße wurden langsam taub von den Gewichten um ihre Knöchel, aber sie wollte nicht aufhören. Ein weiteres Mal. Ein nächstes Mal danach, falls die Erschöpfung sie nicht überwältigte.
Sie hatte die Arme völlig ausgestreckt. Ihre Zehen würden den Boden berühren, wenn sie die Beine ausstreckte. Sie tat es nicht. Stattdessen spannte Asharre die Handgelenke an, zog sich wieder hoch, ungeachtet des Brennens, bis ihr Kinn erneut über die Stange kam.
Vierzehn.
So viele wie nötig, um zu vergessen.
»Asharre! Asharre!«
Sie überhörte den Ruf. Die Stimme war eine Mücke, die versuchte, sie in ihrer Konzentration zu stören. Da war nichts, wofür es sich lohnte, von der Stange herunterzukommen. Da war nichts gewesen seit Oralias Tod. Alle in der Sonnenkuppel wussten das und überließen sie ihrem Elend.
Fünfzehn.
»Asharre!«
Offenbar alle bis auf diese Mücke.
Asharre schüttelte sich den Schweiß vom Gesicht und reckte das Kinn, sodass sie den Sprecher sehen konnte. Es war ein junger Mann, auf konventionelle Weise gut aussehend, mit starken Schultern und kantigen Kieferknochen unter einem Schopf rotgoldenen Haares. Nicht gesegnet; er war nicht mit dem Wappenrock eines Sonnenritters bekleidet
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