Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
Freiheit, Bitharn zu suchen. Mit ihr wieder beisammen zu sein, falls die Strahlende wohlwollend auf seine Suche blickte.
Und dann? Er wusste es nicht. Es war gefährlich, seine Gedanken auch nur in diese Richtung wandern zu lassen … aber er hätte die Freiheit, auch diese Entscheidung zu treffen.
Die Vorstellung verursachte ihm einen Schwindel. Nach einer Ewigkeit in Ang’artas Kerkern war Freiheit nicht nur ein Wort. Sie war größer als das und kleiner. Sie war frisches Brot und kühler Wind und die geteilte Freude von Gebeten in einer Kathedrale, Weihrauch, der zu den Dachtraufen emporwaberte. Sie war, wenn er Glück hatte, ein Lächeln und eine Berührung, die er zu lange vermisst hatte. »Aber meine Freiheit hat einen Preis.«
»Natürlich«, stimmte die Spinne heiter zu. »Es gibt immer einen Preis. Das ist kaum der Beachtung wert.«
»Was ist Euer Preis?«
»Was ist Euch von Duradh Mal im Gedächtnis geblieben? Gewiss muss es während Eurer Ausbildung in der Sonnenkuppel erwähnt worden sein.«
Es war erwähnt worden, obwohl Kelland sich nur vage an diese Geschichte erinnerte. Vor sechshundert Jahren war Ang’arta nicht der einzige Sitz baozitischer Macht im Westen gewesen. Die Zwillingsfestung Ang’duradh, zwischen die Gipfel der Eisenzahnberge geschmiegt, war ihr Rivale gewesen. Hätten die beiden Bollwerke näher beieinandergelegen, so hätten sie womöglich grimmiger miteinander gekämpft als gegen irgendeinen Feind von außen; ihr Gott belohnte Stärke, und es gab keinen würdigeren Feind als seine anderen Gläubigen.
Aber Ang’duradh war nicht von seinem westlichen Bruder erobert worden. Niemand wusste, was der Festung widerfahren war. Die letzten bekannten Besucher Ang’duradhs waren eine kleine Schar Pilger gewesen, die Zuflucht vor einem frühen Schneesturm gesucht hatten. Die Baoziten hatten sie für eine Handvoll Silber eingelassen, wie es bei ihnen Sitte war. Danach hatten sie die Tore geschlossen … und mehr war nicht bekannt.
Die Pässe der Eisenzahnberge schneiten im Herbst zu und waren bis zum Frühling unpassierbar. Monate verstrichen, während die Festung hinter Mauern aus Schnee gefangen lag. In jenem Frühling hatten einige verzweifelte Reisende auf der Suche nach einer Zuflucht an die Türen der Baoziten geklopft und bloß Stille vor ihren Toren und verwesende Leichen hinter ihren Mauern vorgefunden. Kein einziger Soldat hatte überlebt. Das Rätsel um ihren Tod war nie gelöst worden.
Die Ruinen wurden Duradh Mal genannt: Duradhs Untergang. Angeblich waren sie verflucht, oder es spukte dort. Weise Männer und Narren mieden diesen Ort gleichermaßen. Seit damals waren alte Königreiche gefallen, neue Königreiche aufgestiegen, und sechshundert Jahre später war Duradh Mal kein Thema, das Kelland beschäftigte.
Er zuckte die Achseln. »Vor langer Zeit ist eine baozitische Festung gefallen. Niemand weiß, warum.«
»Und unter ihren Ruinen liegt die Stadt Cardental.«
»Na und?«
»Ein merkwürdiger Zufall. Nicht mehr. Für den Augenblick.« Sie verschränkte ihre juwelenbesetzten Finger und legte sie auf ein Knie. »Es gibt noch etwas anderes, das ich mit Euch zu erörtern wünsche, bevor ich gehe. Glaube.«
»Ich bezweifle, dass wir in dieser Hinsicht viel gemeinsam haben, Herrin.«
»Mehr, als Ihr vielleicht denkt. Ihr dient Eurer Göttin getreulich, so wie ich meiner diene. Ohne diese Hingabe, die Euer Leben leitet, hätte es keinen Sinn. Und doch werdet Ihr von Liebe in Versuchung geführt, genau wie es mir einst geschah, und Ihr wisst nicht, wie Ihr die beiden Dinge miteinander in Einklang bringen sollt. Wollt Ihr es bestreiten?«
Hinter seiner gelassenen Fassade entflammte Kellands Temperament. Er hielt es entschlossen in Schach. Es war keine Überraschung, dass die Spinne seine Schwäche kannte; so hatte ihre Schülerin ihn schließlich im Wald gefangen. Er hatte sich einmal von ihnen manipulieren lassen. Es würde kein zweites Mal geschehen. »Nein.«
»Gut. Dann werde ich Euch etwas sagen, und vielleicht werdet Ihr zuhören. Jetzt oder wann immer Ihr bereit seid. Ich kann Euch natürlich nicht zwingen zu glauben, was wahr ist.« Ihr Lächeln wurde sarkastisch. »Aber bis dahin seid Ihr verkrüppelt. Ein geteiltes Herz ist kein angemessenes Gefäß für die Macht der Götter.
Wir verbringen unser Leben im Dienst an unseren Göttern, und doch wissen wir so wenig darüber, was sie verlangen. Oh, wir kennen die simpelsten Regeln. Sonnenlicht. Schmerz. Aber
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