Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
draußen getragen hättet.«
»Ich bin nicht in Stimmung für Gesellschaft.«
»Hoffentlich ist das nicht von Dauer! Ich liebe den Klang meiner eigenen Stimme nicht so sehr, dass ich ihr den ganzen Weg bis nach Cardental hinauf und zurück lauschen möchte.«
»Ich könnte dich knebeln, wenn das helfen würde.«
»Ah, die Dame hat Sinn für Humor! Ich hatte da schon meine Zweifel.«
Das Gleiche galt für sie. Vor Oralias Tod war in ihrem Leben wenig Raum für Gelächter gewesen und überhaupt keiner mehr danach. Sie hatte beinahe vergessen, wie es war. Das simple Vergnügen eines guten Biers, das man mit Freunden teilte, war keines, das Asharre oft genossen hatte; sie hatte keine Gabe für Worte, geschweige denn für das ziellose Geplapper, das Sommerländer so sehr zu lieben schienen. Aber Heradion war ein umgänglicher Junge, und da er mit drei Brüdern, die gern Unsinn anstellten, auf einem Bauernhof groß geworden war, hatte er reichlich Geschichten zu erzählen. Außerdem schien es ihm nichts ausmachen, dass sie selbst wenig zu dem Gespräch beisteuerte. Sie trank und hörte zu, und ab und zu lachte sie.
Schließlich schob Heradion seinen leeren Becher beiseite. »Genug über mich. Würdet Ihr mir ein wenig von Euch selbst erzählen?«
Asharre zuckte die Achseln und blickte in den Rest des Bieres, der in ihrem angeschlagenen Becher schwappte. Sie war nicht betrunken, aber nach drei Humpen und dem Gespräch des Abends war ihr angenehm benommen zumute. »Was willst du wissen?«
»Was habt Ihr denn zu erzählen? Ich will nicht neugierig sein. Es ist nur so, dass es schön wäre, etwas über meine Begleiterin zu wissen, wenn wir schon zusammen reisen sollen. Abgesehen von Euren ehrfurchtgebietenden Fähigkeiten mit dem Schwert natürlich.«
»So ehrfurchtgebietend nun auch wieder nicht.«
»Ihr seid zu bescheiden. Ich habe Euch auf dem Hof gesehen. Wenn ich ein Drittel Eures Talentes hätte, würde ich mich eilends nach Craghail begeben und am Schwerttag ein Turnier bestreiten. Ich würde eine Prinzessin gewinnen, ein Vermögen und das Recht, meine Zuhörer mit meiner Prahlerei bis zur Besinnungslosigkeit zu langweilen, bis ich ein Graubart wäre.« Er grinste. »Nun, Letzteres habe ich bereits getan, aber es wäre erheblich beeindruckender, wenn ich zuerst etwas gewonnen hätte.«
»Heutzutage verschenken sie keine Prinzessinnen mehr.«
»Nein? Dann bedeutet das wohl zurück zu harter Arbeit und Demut. Verflucht!«
Sie stieß einen unverständlichen Laut aus und leerte schweigend ihren Becher. Dann schlug Heradion vor: »Erzählt mir von Euren Narben. Was bedeuten sie?«
Ihr erster Instinkt war abzulehnen. Die Zeichen eines Sigrir waren nichts, was man mit Sommerländern besprach. Sie hatte es noch nie zuvor getan. Es war jedoch eine annehmbare Bitte, und er hatte recht: Wenn sie mit diesen Leuten reisen wollte, sollten sie etwas über sie wissen.
Asharre zeichnete mit einer Fingerspitze ihre Narben nach. »Dass ich Pech habe.«
»Das bedeuten alle Narben. Nehmt diese hier« – Heradion berührte eine gewundene weiße Linie auf der Rückseite seines Handgelenks –, »das war wirklich Pech. Ich habe nämlich geglaubt, Meeriles Bruder würde scherzen, als er gesagt hat, er würde mir die Nase abhacken, wenn ich versuchen würde, sie zu küssen. Zu meinem Glück war er betrunken und hat schlecht gezielt. Ich nehme an, Eure Geschichte ist interessanter.«
Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich hatte eine andere Art von Pech. Meine Mutter hatte keine Brüder. Sie gebar vier Töchter, aber nur einen einzigen Sohn. Er starb am Fieber, als ich acht war. Mein Vater wurde von Plünderern getötet, als ich zwölf war. Danach … danach gab es eigentlich keine große Wahl mehr. Unter den Clans der Weißen Meere haben Frauen nur wenige Vorrechte. Sie dürfen die Ehre der Familie in einer Fehde nicht verteidigen, sie dürfen keinen Besitz haben … dürfen viele Dinge nicht tun. Irgendjemand musste die Ehen meiner Schwestern aushandeln, und es gab keine Männer mehr in der Familie. Also wurde ich Sigrir.«
»Siegrar?«
Sie korrigierte seine Aussprache und betonte die zweite Silbe. »Sigrir. Ihr habt kein solches Wort. ›Ehrenwerte Jungfrau‹ könnte dem Ausdruck nahekommen. Unter den Stämmen ist es eine uralte Sitte, wenn auch eine, die langsam verschwindet. Ich habe mir das Haar geschnitten, geschworen, niemals zu heiraten, und das Brandmal empfangen; danach wurden mir die Rechte eines Mannes
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