Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
Vom Netzwerk:
unserer Trauer nicht inne, und Eure Talente sind zu wertvoll, als dass man sie vergeuden dürfte. Dies wisst Ihr ebenso gut wie ich.«
    Asharre gab keine Antwort. Sie hatte weiter trainiert, aber nur deshalb, weil es ihr so nachdrücklich eingehämmert worden war, dass es schwerer gewesen wäre, damit aufzuhören, als weiterzumachen. Es half ein wenig, wenn sie sich bis zur Erschöpfung verausgabte; dann brauchte sie nicht nachzudenken, brauchte sie sich nicht zu erinnern. Es hielt die Erinnerung an ihren Verlust in Schach. Aber sie trainierte, weil es eine Gewohnheit war, nicht weil sie eine Verwendung für diese Fähigkeiten hatte. Gleichermaßen blieb sie in der Kuppel, weil es eine Gewohnheit war und weil nichts geschehen war, was sie aus der Trägheit ihrer Trauer herausgerissen hätte.
    Es gab keinen Platz für sie auf der Welt. Nicht wirklich. Nun gab sie sich allerdings auch keine Mühe, einen solchen Platz zu finden. Die Celestianer traten für sie beiseite und erlaubten ihr, unter den Geistern zu wandeln, die sie hasste, die sie aber nicht loslassen konnte. Sie zu verlassen – und sie war sich nicht sicher, welches »Sie« sie meinte – würde bedeuten, sich selbst als einzelnes Wesen zu akzeptieren und auf diese Weise ihren Weg in der Welt zu machen, nachdem sie sich ihr Leben lang über ihre Pflichten einem anderen Menschen gegenüber definiert hatte.
    Sie wusste nicht genau, ob sie das wollte. Sie wusste auch nicht genau, ob sie eine neue Aufgabe wollte. Warum auch, wenn sie bei ihrer letzten so fürchterlich versagt hatte?
    Ihr Schweigen brachte den Hohen Solaros nicht aus der Ruhe. »Ihr seid Sigrir«, rief er ihr ins Gedächtnis, als hätte sie das vergessen können. Sein Blick verweilte flüchtig auf den geschwärzten magischen Zeichen, den beiden senkrechten Narben, die auf ihrem Gesicht von der Stirn bis zum Kinn reichten. »Ich weiß, was es Euch gekostet hat.«
    »Ihr wisst überhaupt nichts über Sigrir.«
    »Ich weiß nicht viel, das ist wahr. Aber Ihr könntet mir ein wenig mehr zutrauen als ›nichts‹. Ich habe Gaodhar gelesen. Aufmerksam.«
    »Er war ein Sommerländer.«
    »Er war ein Gelehrter, und er hat in die Skarlar eingeheiratet. Euren Clan.«
    Asharre runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust. »Riesenspeer Skarlar, nicht Eisfeste, und das war vor den Zeiten meines Großvaters.«
    »Haben die Sigrir sich so sehr verändert?«
    Als sie keine Antwort gab, seufzte Thierras abermals und bedrängte sie weiter. »Ich weiß, dass es enormer Hingabe bedarf, ein Sigrir zu werden, und noch größerer Hingabe, ein Kind sicher von den Weißen Meeren nach Cailan zu bringen, insbesondere, wenn man selbst ein Kind ist. Es ist eine Sünde, solche Fähigkeiten zu vergeuden. Ihr hattet den Winter zum Trauern. Ihr könnt den Rest Eures Lebens trauern, wenn Ihr wollt. Aber ich werde Euch währenddessen nicht müßig hier herumsitzen lassen.«
    »Mein Schützling ist tot.« Ihre Schwester. Das letzte Mitglied ihrer Familie auf dieser Welt.
    »Es gibt andere, die Schutz brauchen.«
    Sie nahm die Arme nicht herunter. Aber sie fragte: »Wer?«
    »Ich habe letzte Woche einen Brief erhalten. Der Solaros in Cardental wünscht, in den Ruhestand zu treten. Er ist ein alter Mann und bei schlechter Gesundheit; es wird höchste Zeit, dass i ch ihm erlaube, seine Bürde niederzulegen. Die Stadt wird einen neuen Solaros brauchen. Ich habe beschlossen, die Stellung zwei jungen Gesegneten zu geben. Falcien und Evenna sind bereit für ihr Annovair.«
    Asharre nickte. Man hatte Oralia nach dem Ende ihrer Ausbildung in Cailan einen ähnlichen Posten gegeben. Die Celestianer glaubten, dass es für einen Gesegneten mit der Macht der Göttin wichtig war, ein oder zwei Jahre als gewöhnlicher Solaros zu dienen, die Rhythmen des dörflichen Lebens kennenzulernen und Verständnis für die Menschen zu entwickeln, denen sie dienen sollten. Die Sonnenritter leisteten nicht immer das Annovair ab – ihre Gaben wurden häufig anderswo zu dringend benötigt –, aber alle Erleuchteten taten es. Sie lehrten und kümmerten sich um das gemeine Volk und lernten ihrerseits von ihm. Das Annovair verstärkte das Band zwischen dem Glauben und dem Volk. Für die meisten war es eine glückliche Erinnerung. Oralia hatte ihre genossen.
    War das der Grund, warum sie diesen Auftrag übernehmen sollte? Im Angedenken an das Glück ihrer Schwester? Asharre kniff die Augen zusammen, während sie sich diese Frage stellte, aber

Weitere Kostenlose Bücher