Schwarzfeuer: Roman (German Edition)
groben Gesichtszügen, und er hatte das unbefangene Selbstbewusstsein eines Menschen, der sich mithilfe seiner eigenen Hände und seines Verstandes ein gutes Leben aufgebaut hatte. Obwohl sein Bart eher silbern als braun war, hatten seine Augen sich ein jungenhaftes Funkeln bewahrt. »Frömmigkeit ist heutzutage sehr einträglich. Die Bergbewohner sind alle ganz verrückt nach Gebeten und Sonnenzeichen, vor allem nach der Sonne der offenen Hand. Einige von ihnen würden keinen Handel treiben mit einem Mann, der nicht darunter betet. Mir macht es nichts aus. Für mich ist ein Kapellenfenster wie das andere, und was immer ich für Glasbläser und Handwerker ausgebe, werde ich nächstes Jahr um diese Zeit um ein Dreifaches wettgemacht haben. Ich habe Wyssic bereits ein Dutzend Aufträge für Kohle und Pelze weggeschnappt, und die Pässe sind noch immer verschneit. Wenn sie öffnen, werde ich doppelt so viel haben.«
»Woran liegt das?«, erkundigte sich Heradion.
»Wyssic mag sein Federbett. Ich kann ihm keinen Vorwurf daraus machen, in seinem Alter, aber er versäumt zu viele Morgengebete. Die beste Zeit für Verhandlungen mit diesen Talmännern ist die Stunde direkt nach den Gottesdiensten. Man trifft sich mit ihnen in der Kapelle, nimmt sie zum Frühstück mit nach Hause, und der Handel ist so gut wie abgeschlossen, sobald sie ihre neue Sonne auf meinen Tellern und Fenstern sehen.« Bassinos kicherte und füllte sein Glas wieder mit kaltem Weißbuschtee auf. Wegen der Gesegneten an seinem Tisch hatte er kein Bier serviert, obwohl es in Balnamoine angeblich mehrere gute einheimische Biere gab. Asharre bedauerte seine Höflichkeit; sie hätte zu ihrer Wachtel in Kastaniensoße gern einen Becher gehabt.
»Neue Sonne?« Falcien klang beiläufig, aber er beugte sich vor und stützte einen Ellbogen auf den Tisch. »Meint Ihr diese Zeichen mit den abgerundeten Strahlen?«
»Jawohl. Ihr habt es bemerkt? Nun, natürlich habt Ihr es bemerkt. Das ist schließlich Euer Geschäft.« Bassinos unterdrückte höflich ein Rülpsen und nahm sich noch eine Portion gebackener Rüben. »Die Talhändler bestehen darauf. Wenn Ihr mich fragt, über den Punkt des Anstands hinaus. Einer von ihnen hat das Fenster unserer Stadtkapelle wegen ihres »unfrommen« Musters zerschmettert. Habt Ihr eine Ahnung, wie viel dieses verdammte Fenster gekostet hat? Dieses rote Glas ist aus Aluvair gekommen! Und die Vergoldung … aber was soll’s. Es ist geschehen. Wie dem auch sei, dieser Mann war ein Narr und ein Fanatiker, aber sie fühlen sich alle erheblich wohler unter ihren neuen Sonnen. Für unsere eigene scheinen sie nicht viel übrig zu haben.«
»Eine Ketzerei?«, fragte Evenna. Eine dünne Linie erschien zwischen ihren Augenbrauen.
»Der Hohe Solaros hat nichts davon erwähnt«, sagte Heradion. »Ich bezweifle, dass er uns ausgeschickt hätte, wenn er einen solchen Verdacht gehabt hätte. Höchstwahrscheinlich ist es einfach eine einheimische Mode – vielleicht ein wenig Folklore, die sie in ihre Gebete eingewoben haben. Davon scheint es in jedem Dorf einige zu geben. Je weiter von Cailan entfernt, desto häufiger begegnet man so etwas. Sie sind harmlos, wirklich, und bringen den Glasbläsern gute Geschäfte.«
»Gute Geschäfte für jeden, der mit ihnen zu beten bereit ist«, warf Bassinos ein. »Vermutlich unfein, meinen Glauben so zu benutzen, und schlimmer noch, es den Gesegneten der Strahlenden gegenüber zuzugeben, aber ich war immer ehrlich im Hinblick auf meine Sünden. Und gar so schreckliche Sünden sind es doch nicht, oder?«
»Ich habe Schlimmeres gehört«, antwortete Evenna. »Solange Ihr bei Eurem Zehnten nicht betrügt …«
»Das niemals«, sagte Bassinos mit gespieltem Entsetzen.
»… werden wir Euch wohl vergeben. Aber wann haben die Bergstädte ihren Glauben wiederentdeckt? Ist dort oben ein Unglück geschehen? Normalerweise werden Männer nicht von einer plötzlichen Liebe zum Gebet erfasst, es sei denn, es hat Krieg gegeben, Seuchen, Hungersnöte …«
»Nein, nichts. Ich bin selbst seit einiger Zeit nicht mehr im Norden gewesen, aber ich hätte die Geschichten gehört. Es hat nichts dergleichen gegeben. Na ja, Banditen, aber Banditen gibt es auf der Eisenstraße und Piraten auf dem Windhorst, seit es eine Straße und einen Fluss gegeben hat.« Bassinos hielt inne und dachte kurz nach. »Wenn ich es mir recht überlege, hat es in letzter Zeit davon auch nicht viele gegeben. Normalerweise verliere ich in jeder
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