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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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Sei es, wie es sein mag; Lord Rosewayn wollte die Burg gewiss. Die Einheimischen erzählten ihm, der Ort sei verflucht und dass das Verhängnis auch ihn einholen würde, aber der alte Lord wollte nichts davon hören. Er sagte, es sei das beste strategische Bollwerk in den Eisenzahnbergen, was wahrscheinlich der Wahrheit entsprach. Ihr könnt über die Baoziten sagen, was Ihr wollt, aber diese Bastarde wissen, wie man Krieg führt.
    Die Baoziten konnten Ang’duradh jedoch nicht halten, und Lord Rosewayn hatte nicht mehr Glück. Er verlor sein Vermögen bei dem Versuch. Wenige Handwerker wollten so weit reisen oder dem Fluch von Duradh Mal trotzen, und jene, die es taten, fanden ein schlimmes Ende. Mauern stürzten ein, Balken brachen, Schlüsselsteine barsten über den Köpfen der Bauhandwerker. Einige wanderten in die leeren Hallen und wurden nie wieder gesehen. Andere Männer schworen, sie könnten die Stimmen der Verlorenen aus der Dunkelheit um Hilfe rufen hören.
    Nach dem Tod des alten Lords waren seine Söhne froh darüber, der Torheit ein Ende machen zu können. Sie überließen Ang’duradh seinen Geistern und erbauten in den Bergen eine neue Feste, Schattenfall genannt. Von dort aus regierten die Rosewayns eine Zeit lang, nicht besser und nicht schlechter als andere Lords. Aber im Laufe der Jahre veränderten sich die Geschichten.
    Menschen verschwanden von den Straßen rings um Cardental herum. Zumeist Kinder und Jungfrauen, den Geschichten zufolge. Auch Reisende. Ganze Reisegruppen verschwanden und tauchten nach der Schneeschmelze in Gestalt abgenagter Knochen wieder auf. Schließlich erreichte die Nachricht die Kuppel. Bewaffnet mit Aurandane, dem Schwert der Morgendämmerung, wagten sich einige Sonnenritter nach Schattenfall hinauf, um der Sache ein Ende zu bereiten. Die Rosewayns begrüßten sie als Ehrengäste, wollten sie dann jedoch, während sie schliefen, töten und verspeisen. Wie nun ihre Gastgeber ihr wahres Gesicht zeigten, erkannten die Ritter, dass es Ungeheuer waren. Sie kämpften eine verzweifelte Schlacht in Schattenfalls Hallen, und die Hälfte des Hauses brannte nieder. Als der Rauch sich hob, fanden sie in der Asche alle möglichen Gräuel. Menschliche Knochen in der Speisekammer, Foltergruben in den Kellern, Kübel mit Leichenfett, das Lady Rosewayn in ihre Haut einmassierte, um ewige Jugend zu erlangen – jedes Gräuel, mit dem ein Barde seine Geschichte ausschmücken mochte, ist an dem einen oder anderen Punkt begangen worden.«
    »Und auch diese Stimmen wispern im Wahnsinnigen Wind?«, fragte Asharre.
    »So sagt man.« Bassinos füllte sein Glas mit Apfelwein. »Es ist nur eine Geschichte.«
    Milora hatte noch immer einen roten Kopf und spielte mit ihrer Gabel herum. Es überraschte Asharre nicht, dass Falcien es nun übernahm, sie abzulenken. Diese Gesegneten waren unendlich wohlwollend.
    »Da Ihr so freundlich wart, uns eine Geschichte zu erzählen, ebenso wie Heradion, sollte ich jetzt wohl die meinige beisteuern«, sagte er und erzählte ihnen vom Wintersee, der einen Ritt von einigen Wochen östlich von Cailan lag und dessen Wasser selbst im Hochsommer beinahe gefror. Fischer sahen Eis über seiner Mitte glitzern, ganz gleich wie heiß die Sonne schien, und sie hörten Frauenstimmen, die in der Abenddämmerung über den Wellen des Sees sangen. Jene, die den Liedern lauschten, sagten, sie seien wunderschön, aber beunruhigend; jene, die zu oft lauschten, ruderten ihre Boote in die Mitte des Sees, wo sie begierig ins Wasser sprangen und ertranken.
    Als er fertig war, hatte Melora verzückt zugehört, und ihre Schüchternheit war vergessen. »Ist das wahr?«, hauchte sie, eifrig wie ein Kind, das auf dem Schoß seiner Amme einem Märchen lauschte.
    »Es stimmt, dass das Wasser kalt ist«, gab Asharre ihr zur Antwort. »Ich bin dort gewesen. Es ist kalt genug, um einen Mann zu töten, aber ich habe nie Eis gesehen oder Lieder gehört. Ich habe bei einer Frau gewohnt, die schwor, eine Elfe hätte ihren Mann in den Tod gelockt … Aber Klatschbasen im Dorf erzählten mir, er sei ein Trinker gewesen, und so, wie er jeden Tag nach Hause kam, hätte er auch über Bord fallen können. Es ist ein kalter See, mehr nicht. An den Weißen Meeren haben wir Quellen, die siedend heiß nach oben steigen. Wenn Flüsse unter dem Schnee warm sind, warum sollten sie in den Sommerländern nicht kalt sein?«
    »In der Tat, warum nicht«, stimmte Melora ihr zu. Sie schien nicht einmal enttäuscht

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