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Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Schwarzfeuer: Roman (German Edition)

Titel: Schwarzfeuer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Merciel
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immer noch deutlich zu erkennen.
    Als sie heranritten, begrüßte sie eine Dienerin. Eine alte Frau mit einem schneeweißen Schal über dem Haar, ein Stil, der in Cailan schon vor Generationen aus der Mode gekommen war. Sie machte einen Wirbel um Evenna wie eine Mutter, die ein ungeratenes Kind umarmte. Asharre war froh, dem Stallburschen, der auf sie zukam, die Zügel ihres Pferdes überlassen zu können, und noch froher, als die alte Frau ihnen anbot, Bassinos Bäder zu benutzen.
    Der Kaufmann hatte nicht nur ein Badehaus, sondern zwei, eins für die Männer und eins für die Frauen. Die beiden Gebäude lagen einander in einer Säulenhalle aus gelbem Sandstein gegenüber. Winzige Fenster hoch oben in der Decke durchbrachen ihre gewölbten Mauern. Dahinter gab es einen Garten und anschließend eine Kapelle.
    Die Kapelle selbst war nicht neu, im Gegensatz zu mehreren ihrer Fenster. Ihr Buntglas funkelte so rein wie frisch gefallener Schnee. Andere Fenster, deren alte Scheiben noch nicht ersetzt worden waren, hatte man mit Brettern verschalt. Das heilige Sonnenzeichen in dem größten der neuen Fenster hatte ein ungewöhnliches Muster; seine acht gewellten Strahlen waren alle gleich lang, nicht länger an den Haupthimmelsrichtungen und kürzer dazwischen, und die Spitzen eines jeden Strahls waren rund wie Zwiebelknollen. Aus irgendeinem Grund erinnerten sie Asharre an offene Hände, die nach etwas griffen. Erleuchtung vielleicht? Vielleicht würde einer der Gesegneten es wissen. Sie schob den Gedanken beiseite und ging hinein, um zu baden.
    Das Badehaus war in seinem Luxus außergewöhnlich. Es gab Becken mit heißem und kaltem Wasser, drei Arten parfümierter Seife, eine Bürste aus dem Holz des Goldbaums mit den Borsten eines Wildschweins und dekorative Zierstücke, deren Nutzen sich ihr nicht erschloss. Gerade als sie die Skulptur einer tanzenden Frau mit einer Schale in Händen betrachtete, kam Evenna herein. Asharre schob die Utensilien beiseite und füllte einen Eimer aus dem dampfenden Becken.
    Während sie sich das Wasser über den Kopf goss, ertappte sie Evenna dabei, dass sie einen Seitenblick auf die Narben warf, die sich über ihre Rippen zogen. Auch das war etwas, das zu ignorieren Asharre sich beigebracht hatte, aber irgendetwas im Gesicht der jüngeren Frau ließ sie stutzen.
    Ihre Blicke trafen sich. Evenna hatte den Anstand zu erröten. Asharre glaubte nicht, dass es daran lag, dass sie beide unbekleidet waren; eine Heilerin würde daran gewöhnt sein, genau wie sie. Auf dem Schlachtfeld starb Züchtigkeit einen schnellen Tod.
    Die ersten Worte aus dem Mund des Mädchens bestätigten ihren Verdacht. »Es tut mir leid«, sagte Evenna, noch immer mit roten Wangen. »Es ist nur … Ich habe noch nie so viele Narben bei einer Frau gesehen.«
    Asharre stieß einen unverständlichen Laut aus. Vermutlich waren ihre Striemen und Schwielen, erworben im Laufe von anderthalb Jahrzehnten des Kampfes, für einen Fremden erschreckend. Im Laufe der Jahre war ihre Haut eine Tapisserie alter Verletzungen geworden. »Glück für die anderen.«
    »Sind sie … habt Ihr … diese Narben stammen doch nicht von Oralias Annovair, oder?«
    Asharre schüttelte den Kopf. Endlich verstand sie die Furcht des Mädchens. Dies war das erste Mal, dass Evenna so weit von zu Hause oder von ihrem Tempel entfernt war, und die Geschichten über die Bergbewohner konnten für jemanden, der die Wahrheit nicht kannte, beängstigend sein.
    »Nein«, sagte Asharre. »Die meisten davon … Der erste Mann, der mich gelehrt hat, wie man ein Schwert hält, war Surag Einauge. Er musste mich unterrichten, musste mein Gelübde als Sigrir respektieren. Ihr versteht? Es war seine Pflicht als Krieger von Eisfeste. Aber es musste ihm nicht gefallen, und er musste auch nicht sanft zu Werke gehen. Das galt für die meisten von ihnen. Dass eine Frau Sigrir wurde, um die Ehen ihrer Schwestern auszuhandeln, ist nicht gar so merkwürdig, selbst heute nicht. Dass sie die Waffen ergreift, ist … eine alte Sitte. Sehr alt und sehr selten. Selbst bevor die Sonnenanbeter in den Norden kamen, war es nichts Alltägliches. Meistens legten Frauen dieses Gelübde ab, wenn alle Krieger des Clans bei Plünderungen und im Krieg getötet worden waren und die einzigen verbliebenen Männer Graubärte und Knaben waren. Also, dass ich den Schwertkampf erlernt habe … Es war nicht so, als hätte ich behauptet, dass die Krieger von Eisfeste schwächlich oder kindisch waren,

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