Schwarzkittel
kennen. Deshalb hat sie dir nie geschrieben. Ich soll dir übrigens von ihr ausrichten, dass es mit dir eine schöne Zeit war. Vielleicht kommt sie irgendwann mal zu Besuch. Sie hat sich übrigens kaum verändert. Das Alter sieht man ihr nicht an.« Schnell fügte sie hinzu: »Dir übrigens genauso wenig.«
»Danke für das Kompliment, Alessia. Warum sprichst du eigentlich so gut deutsch?«
»Ich bin halt ein Naturtalent. Nein, im Ernst, ich habe bis zum Abitur fleißig Deutsch als Fremdsprache gelernt und war schon oft in Deutschland.«
»Aha, und warum hast du dich nicht schon früher blicken lassen? Was führt dich jetzt hierher?«
»Das ist ganz einfach, ich wusste nichts von dir. Ich war früher schon ein paar Mal in Mannheim, ohne zu wissen, dass mein Vater nur ein paar Kilometer entfernt wohnt. Meine Mutter hat es mir erst vor ein paar Wochen verraten.«
»Und dann hast du dich gleich auf den Weg gemacht?«
»Na ja, gleich ging nicht. Ich arbeite als Fremdsprachensekretärin und musste erst Urlaub beantragen.«
Schweigen.
»Stimmt was nicht?«, fragte sie mich ein wenig nachdenklich. »Ich wollte doch nur meinen leiblichen Vater kennenlernen.«
»Nein, nein, das ist schon in Ordnung. Für mich kommt das nur ein wenig plötzlich. So ganz ohne Vorbereitung.«
Sie lachte erneut. »Das kann ich mir gut vorstellen. Sag mal, habe ich eigentlich Geschwister? Halbgeschwister, meine ich natürlich.«
»Ja, einen Bruder, ich meine einen Halbbruder von sieben und eine Halbschwester von zehn Jahren.«
»Klasse, die will ich auch kennenlernen. Verheiratet bist du aber nicht, oder?«
Sie zog ihren Zeigefinger durch die dicke Staubschicht auf dem Wohnzimmertisch und rümpfte ihre Nase.
»Doch, doch, wir leben zurzeit nur getrennt. Ich weiß, ich müsste dringend mal sauber machen, aber meine berufliche Tätigkeit lässt mir im Moment keinen Freiraum dazu.«
»Was arbeitest du denn, Daddy? Ich darf doch Daddy sagen?«
»Klar doch, nenn mich, wie du willst. Ich arbeite bei der Polizei, genauer gesagt bei der Kriminalpolizei.«
»Oh, du bist also ein Bulle – äh, sorry, bitte verzeih mir, das war nicht so gemeint.«
»Kein Problem, Alessia, so etwas nehme ich nie persönlich. Weiß dein Vater eigentlich darüber Bescheid? Ich meine, dein italienischer Versorger?«
Und schon wieder erhellte das lebendige Lachen ihr Gesicht. »Mein Versorger! Ein köstlicher Ausdruck. Meine Mutter hat mir gesagt, dass du ein humorvoller Typ bist. Ich kann dich beruhigen, er weiß von nichts, und er soll auch von nichts wissen.«
Sie überlegte kurz, bevor sie weiter sprach. »Wir wohnen immerhin in seinem Haus und Mutter und ich kommen prächtig mit ihm aus. Das wollen wir begreiflicherweise nicht aufs Spiel setzen. Ich hoffe, du kannst das nachvollziehen.«
»Ja, klar. Äh, ich habe ganz vergessen, dir was zu trinken anzubieten. Was möchtest du haben? Leider sind meine Vorräte im Moment etwas begrenzt.«
»Ich denke, in Anbetracht des heutigen Tages sollte es schon ein Gläschen Champagner sein, findest du nicht auch, Daddy? Oder hast du keinen?«
»Ich weiß nicht, was du zu Hause täglich trinkst, aber Champagner habe ich noch nie im Hause gehabt. Davon bekomme ich bloß Sodbrennen. Halt, warte mal, wenn es meiner Tochter genehm ist, hätte ich eine Flasche Sekt im Keller. Glaube ich zumindest.«
»Na, siehst du Daddy, dann ist doch alles in Ordnung. Sektgläser hast du aber, oder müssen wir das Zeug aus Pappbechern trinken?«
»Da werde ich schon etwas finden. Machs dir bequem, ich bin gleich wieder da.«
Ich ging in den Keller, der noch ein bisschen staubiger war als der Rest des Hauses. Woher wohl der ganze Schmutz kam?, fragte ich mich kopfschüttelnd. Aus einem angerosteten Metallregal zog ich nacheinander drei oder vier bis zur Unkenntlichkeit verstaubte Flaschen heraus und wischte jeweils mit dem Handrücken über sie, bis ich auf einem der Etiketten das Wort Schaumwein lesen konnte. Die Flasche hielt ich möglichst seitlich an meinen Körper, während ich möglichst geräuschlos durchs Wohnzimmer in die Küche huschte. Alessia bemerkte nichts, sie las Zeitung.
In der Küche spülte ich die Flasche unter dem laufenden Wasserhahn ab und öffnete sie. Nein, es gab kein Desaster. Ich legte nämlich vor dem Entkorken des Sektes ein Geschirrhandtuch über den Flaschenhals. Im Küchenschrank fand ich sogar einigermaßen brauchbare Sekttulpen. Auch diese hielt ich kurz unter klares Wasser, um ihren
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