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Schwarzkittel

Schwarzkittel

Titel: Schwarzkittel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harald Schneider
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schnell. Na ja, um einen richtigen Wagen handelte es sich eigentlich nicht, eher um eine moderne Skurrilität für Leute, die zwanghaft Aufmerksamkeit auf sich lenken wollen. Gerhard fand zum ersten Mal wieder Mut zum Sprechen. »Ne, da steige ich im Leben nicht ein, da haben sich die Kollegen wohl einen Spaß mit uns erlaubt. Die Dinger gehören doch verboten, genau wie Leggings für Frauen ab Konfektionsgröße 54.« Er schaute mich flehend an. »Komm, nehmen wir meinen Wagen, sonst werde ich noch vollkommen verrückt.«
    Lieber sollst du verrückt werden als in deinem jetzigen Zustand deinen Wagen sehen, dachte ich mir.
    »Der steht ganz hinten auf dem Parkplatz, wir müssen uns beeilen. Los, steig ein.«
    Ich schloss die Beifahrerseite auf und schubste Gerhard mit leichter Gewalt ins Auto. Auch mir war nicht wohl bei dem Gedanken, dieses Gefährt zu fahren. Schließlich schaffte ich es aber trotz lädierter Schulter, ohne größere körperliche und geistige Schmerzen in den Smart zu steigen. Na ja, Beinfreiheit hatte ich genug, dafür war der Rest des Innenraums mehr als beengend. Die Sitze wiederum waren dermaßen weich gepolstert, dass ich keine Ahnung hatte, wie ich da wieder rauskommen sollte. Immerhin kam ich einigermaßen mit dem Wagen zurecht. Um nichts zu riskieren, fuhren wir recht langsam, also etwa tempolimitkonform auf der vierspurig ausgebauten B 9 Richtung Ludwigshafen. Trotz erster gerichtlicher Klagen und der Gründung einer Bürgerinitiative bestand das irrwitzige Tempolimit, das für niemanden nachvollziehbar war, nach wie vor. Nachdem uns bis dahin eine zweistellige Anzahl Lkws überholt hatte, erreichten wir wenige Minuten später den Parkplatz der ›Neomedi‹. Unerkannt konnten wir den Wagen verlassen. Trotz Polsterung ging das ausgesprochen gut. Ich blieb nicht mal mit der Schulter an der Tür hängen.
    In der Empfangshalle wäre ich fast der Versuchung erlegen, mich bei der Anmeldung nach dem Geschäftsführer zu erkundigen. Da ich aber wusste, in welchem Stockwerk sich sein Büro befand, zog ich Gerhard, der immer noch unter einem Schweigegelübde zu stehen schien, zum Aufzug. Trotz offensichtlicher Langeweile der hinter dem Tresen stehenden Damen hielt uns niemand von diesem Vorhaben ab. In der Chefetage angekommen sprach ich meinen Freund an: »Würdest du wenigstens in den nächsten Minuten ein freundlicheres Gesicht machen? Mit deinem momentanen Gesichtsausdruck erschreckst du den Geschäftsführer womöglich zu Tode.«
    Gerhard schnitt eine Grimasse. »So in Ordnung?«
    »Na ja, etwas intelligenter kannst du das bestimmt noch hinkriegen.«
    Wir waren gerade an Doktor Mayers Bürotür angekommen und meine Fingerknöchel hatten schon fast das Türblatt getroffen, da knallte uns ein Schuss um die Ohren.
    Normale Menschen, also Nichtpolizisten, verharrten bei solchen ungewohnten Geräuschen üblicherweise starr und warteten lauschend auf eine Wiederholung des Geräuschs. Dieses unsinnige Verhalten wurde jedem Polizeianwärter bereits in der Grundausbildung ausgetrieben. Allerdings wurde uns bei dieser Gelegenheit auch einiges zum Thema Selbstschutz beigebracht. Das bedeutete nicht, gleich mit der Dienstwaffe die gesamte Umgebung prophylaktisch zu durchsieben, aber allein schon das Vorhalten der Pistole flößte so manchem potenziellen Gesetzesbrecher nicht geringen Respekt ein. Auf dieses Symbol meiner Autorität musste ich leider verzichten. Ich hasste Schusswaffen und trug sie deswegen nur in Ausnahmefällen. Auch gegenüber dem Tragen einer schusssicheren, aber unbequemen Weste war ich nicht positiv eingestellt. Glücklicherweise hatte ich meinen Kollegen Gerhard Steinbeißer dabei. Bereits innerhalb der auf den Schuss folgenden Sekunde hatte er seine Waffe aus dem Halfter gezerrt. Ich drückte die sich nach innen öffnende Tür auf. Wir blickten auf Doktor Fürchtegott Mayer. Er stand, genauer gesagt, er fiel gerade vor seinem Schreibtisch auf den Boden. Diese zwei Sekunden freien Falls genügten Gerhard und mir, die roten Spritzer auf seiner königsblauen Krawatte zu bemerken. Das Bild wurde dadurch ergänzt, dass der ›N eomedi‹-Geschäftsführer im gerade erlebten Augenblick seines Todes keine Waffe in der Hand hielt. Dafür stand uns Professor Elisa Ginger gegenüber. Ihre Pistole war ganz klar auf uns gerichtet.
    »Wo kommen sie jetzt her?«, herrschte uns die mutmaßliche Mörderin aufgeregt an. Sie sah nur noch ent fernt wie Alice Schwarzer aus. »Lassen Sie die Waffe

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