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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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stand.
    Die Fünf-Uhr-dreißig-Nachrichten im Autoradio brachten nichts Gutes: Ein Teilnehmer der gestrigen Demonstration am Seestern lag im Koma – ein junger Student, der von Kollegen der Einsatzhundertschaft auf der Baustelle des Einkaufszentrums niedergeknüppelt worden war, wie Fernsehbilder angeblich dokumentierten.
    Die Zukunft beginnt jetzt – der Slogan der Osterkamp-Entwicklungsgesellschaft kam Vincent wie eine Drohung vor.
    Der Euro, Krisensitzungen in Berlin und Brüssel, schon wieder Hickhack um den Rettungsschirm. Schließlich der aktuelle Nikkei-Index und das Wetter: Erwärmung in den nächsten Tagen.
    Um wach zu werden, fuhr Vincent mit heruntergelassenem Fenster. In der blauen Stunde der vergehenden Nacht wirkte das Hafenviertel wie ausgestorben. Das Motorengeräusch seines Wagens hallte von den Fassaden der Bürohäuser wider.

    Der nackte Leichnam des Ministerpräsidenten lag noch immer auf den Fliesen. Vincent fiel auf, dass er wieder auf den Rücken gedreht worden war. Die Totenflecken waren weitgehend aus dem Gesicht gewichen, Castorp starrte mit halb geöffnetem Mund an die Decke, der Bauch wölbte sich. Keine Spur mehr vom Nimbus der Macht. Damit würden nun andere gesegnet sein, Parteifreunde, Gegner, Feinde – noch fünf Tage bis zur Wahl.
    Kollege Fabri kniete auf den Fliesen, umringt von verschiedenen Glasflaschen, und rührte in einem Behälter. Es roch scharf und ungesund. Vincent ahnte, was die Kriminaltechniker vorhatten. Ein Kollege faltete schwarze Stoffbahnen, mit denen sie die Fenster verhängt hatten, und packte sie in eine der vielen Taschen, die vor dem Duschbereich abgelegt waren. Offenbar war die Spurensicherung in der Schwimmhalle weitgehend abgeschlossen.
    Fabri füllte seine Mischung in eine Sprühflasche ab.
    «Luminol?», fragte Vincent.
    «Du kommst gerade rechtzeitig. Wir knöpfen uns als Nächstes den Flur vor.»
    «Was ist mit der Spur, die ihr gefunden habt?»
    «Eine Auftropfung, die genau in einer Fugenritze gelandet ist. Genug Material für den DNA-Test. Wurde beim Saubermachen offenbar übersehen.»
    «Beim Saubermachen?»
    «Ja. Wir sind mit Luminol über den Boden gegangen und haben etwas festgestellt, das dich interessieren dürfte.»
    Ein Kollege hielt Vincent seine Kamera hin. Das Display war schwarz bis auf ein schwaches bläuliches Schimmern, das sich als vages Band quer durch das Bild zog. Vincent kannte das Phänomen: Wenn in einem abgedunkelten Raum die Luminollösung auf noch so geringe Mengen von Blutfarbstoff stieß, entstand dieses fluoreszierende Leuchten.
    «Eine Verwischung, die von der Tür bis an den Beckenrand führt», erklärte der Kollege.
    Vincent spürte, wie ihn eine kalte Erregung überkam. Er musste sich vor allzu voreiligen Schlussfolgerungen hüten. Sollte aber jemand versucht haben, Castorps Blut wegzuputzen, wäre die Unfall-These in sich zusammengebrochen.
    «Und der Bademantel?», fragte Vincent.
    «Hat beim Einsprühen ebenfalls geleuchtet. Unvollständig herausgewaschene Flecken im Schulter- und Rückenbereich. Tom bringt ihn gerade in die Dienststelle und hängt ihn zum Trocknen auf.»
    Sie gingen in den Flur, Fabri mit der Sprühflasche, seine beiden Kollegen mit den Kameras. Vincent zückte sein Smartphone. Auf den Fliesen war mit bloßem Auge nichts auszumachen. Fabris Kollegen postierten sich in zwei gegenüberliegenden Ecken.
    «Passt auf, dass auch wirklich der Blitz ausgeschaltet ist», sagte Fabri.
    Vincent testete die Videofunktion des Handys.
    «Ich habe der Lösung etwas Spülmittel beigemischt», ergänzte Fabri. «Das Leuchten wird dadurch intensiver, aber auch kürzer, vielleicht nur Sekunden. Falls wir überhaupt etwas finden. Also höchste Konzentration, Leute. Wir wollen doch nicht, dass ein Mörder freigesprochen wird, nur weil die Kriminaltechnik pfuscht.»
    Vincent erklomm die Kommode, ein kurzer Schmerz fuhr durch sein rechtes Knie. Von hier aus hatte er eine gute Übersicht. Fabri schloss die Tür zum Treppenhaus und zur Schwimmhalle, dann löschte er das Licht.
    Völlige Dunkelheit.
    Fabris Sprühflasche zischte, die Chemikalie stach in die Nase. Tatsächlich: Sofort erkannte Vincent am Ende des Flurs das typische Leuchten, blau und geisterhaft. Wieder spürte er die Aufregung. Jagdfieber, fast Euphorie.
    Fabris Overall reflektierte das schwache Licht. Hinter ihm verglomm es wieder, während es neu entstand, wo der Kollege den Boden benetzte. Eine flüchtige Bahn, an den Rändern gezackt – Vincent

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