Schwarzlicht (German Edition)
glaubte, Wischbewegungen nachvollziehen zu können. Das Display seines Smartphones gab die Erscheinung wieder. Er tippte auf das Aufnahmesymbol und filmte.
So weit er sich an seinen letzten Lehrgang in Forensik erinnerte, diente das Eisen des Hämoglobins als Katalysator bei der Oxidation von Luminol. Bis zu einer Verdünnung von einem halben Promille konnte Blut auf diese Weise nachgewiesen werden. Wer auch immer hier sauber machen wollte, hatte in Eile gehandelt.
Fabri knipste die Deckenbeleuchtung an, das Schauspiel war beendet. Neben ihm befand sich die Tür, an der die Spur geendet hatte. Es war die zum Schlafzimmer.
Vincent sprang von der Kommode. Sie öffneten Türen und Fenster der Wohnung, um das beißende Giftzeug abziehen zu lassen. Fabri rührte eine neue Lösung an, er wollte das Experiment an den Wänden und Möbeln des Flurs wiederholen. Vincent wusste, dass der Nachweis nicht eindeutig war, denn Luminol reagierte auch auf Kupfer und Meerrettich. Doch er spürte, dass das Fieber ebenfalls die Kollegen gepackt hatte.
Neugierig ging er schon mal ins Schlafzimmer vor. Mit der behandschuhten Fingerspitze tippte er auf die Kante des Lichtschalters. Zu seinen Füßen die gleichen anthrazitfarbenen Fliesen wie im Flur und in der Schwimmhalle. Dunkles, wild gemasertes Holz an zwei Wänden. Erst auf den zweiten Blick erkannte Vincent, dass es an der einen Seite Schranktüren waren, Paneele über die gesamte Länge an der anderen. Zahllose Strahler in der Decke beleuchteten ein Doppelbett mit weißer Bettwäsche auf einem kreisrunden Sockel sowie zwei helle, hochflorige Teppiche. Ebenfalls mitten im Raum stand eine Badewanne, anscheinend aus einem Block Marmor gemeißelt, schimmernd hell und perfekt gerundet, rund um den Abfluss getrocknete Schaumreste. Kleidung lag über einem Sessel: Unterwäsche, Anzughose, weißes Hemd und Schlips, Kniestrümpfe.
Auch in diesem Zimmer reichten die Fenster bis zum Boden. Draußen hatte der neue Tag begonnen, trüb und grau, trotzdem konnte sich Vincent an dem Panorama kaum sattsehen: Der Blick ging über das vordere Hafenbecken und die Fußgängerbrücke, auf die Türme, die Frank Gehry entworfen hatte. Dahinter der große Fluss mit Rheinturm und Landtag, schließlich die Postkartensilhouette der Altstadt. Vincent fragte sich, was das Penthouse kosten würde, falls es zum Verkauf stünde. Ein solches Domizil hätte er eher in Dubai oder Shanghai vermutet als in dieser Stadt, schon gar nicht hier im Hafenviertel, das vor fünfzehn Jahren noch ein Industriegebiet gewesen war.
Vincent besorgte sich ein Maglite aus dem Fundus der Techniker, die leistungsstarke Ausführung mit xenongefülltem Leuchtmittel. Damit kehrte er in das Schlafzimmer zurück und begann, den Boden abzusuchen. Ein Kriminaltechniker schloss die Tür von außen – der zweite Luminol-Durchgang im Flur durfte nicht durch Lichteinfall beeinträchtigt werden.
Vincent konnte keine verdächtigen Spuren ausmachen. Vorsichtig öffnete er sämtliche Schränke: Hemden, Anzüge, auf dem Boden zwei Paar schwarze Schuhe, die eine Politur nötig gehabt hätten, und ein großer Rollkoffer, der Vincent an seine eigene Flucht von zu Hause erinnerte – nichts, was auf ein Verbrechen hinwies.
Er betrachtete die Videoaufnahme auf dem Display seines Handys. Den fluoreszierenden Pfad, der eindeutig von der Schwimmhalle zum Schlafzimmer führte. Die Putzfrau war gestern nicht dazu gekommen, den Boden zu wischen. Oder hatte sie gelogen?
Einer der beiden Teppiche lag ein paar Zentimeter weiter vom Bett entfernt als der andere und etwas schräg im Raum. Vincent rückte ihn zurecht und trat noch einmal an die Fenster. Wie fühlte sich jemand, der hier wohnte? Als hätte er alles erreicht und stünde über dem Gesetz? Als gehörte ihm die Welt? Auch wenn er den Aufenthalt nur einem spendablen Unternehmerfreund verdankte?
Die Tür wurde geöffnet, der garstige Geruch drang wieder in Vincents Nase. Er riss die Fenster auf, damit der Chemiedunst rascher abzog.
«Und?», rief er in den Flur.
«Die Wände sind sauber», kam die Antwort. «Wie sieht’s bei dir aus?»
«Nichts.»
Ein letztes Mal ließ Vincent den Blick durch den Raum schweifen: Schrankwand, Bett, die Wanne und die Kleidung auf dem Stuhl – erzählt mir die Geschichte des vergangenen Nachmittags!
Der verschobene Teppich …
Alles hat eine Ursache, dachte Vincent.
Er hob den Flokati an einer Ecke an, griff auch mit der zweiten Hand zu und hielt ihn
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