Schwarzlicht (German Edition)
hoch.
Sein Herz pochte wild.
Die Unterseite.
Die Wollfasern waren vollgesogen mit Blut. Große, verschmierte Flecken, noch nicht ganz eingetrocknet.
12
Der Pförtner grüßte, die Zeiger der Wanduhr in seinem gläsernen Kabuff zeigten auf zwanzig vor sieben. Vincent spürte keine Müdigkeit, im Gegenteil. Der Fund vom frühen Morgen wirkte wie eine Adrenalinkur. Gerade hatte er noch Proben der blutgetränkten Fasern im DNA-Labor des Landeskriminalamts abgegeben, damit sie möglichst noch heute untersucht werden konnten.
Im Foyer des Präsidiums stieß Vincent auf Max Dilling, seinen Chef in ganz alten Zeiten, der gerade mit einem Teller belegter Brötchen aus der Kantine trat.
«Und», fragte Dilling. «Endlich mit deiner Mutter gesprochen?»
«Hatte noch keine Zeit dafür.»
«Schade.»
Gemeinsam stiegen sie in den hölzernen Paternoster, der sie ratternd nach oben trug. Dilling hatte die Dienstgruppe in der Wache am Barbarossaplatz geführt, in der Vincent als Frischling im Polizeidienst angefangen hatte. Unglaubliche zweiundzwanzig Jahre war das her. Heute gehörte der Mann mit dem grauen buschigen Bart dem Leitungsstab des Präsidenten an.
«Denk daran, es ist alles schon fast fertig.»
«Ich weiß, Max.»
Der Kollege bereitete eine Ausstellung zur Geschichte der Düsseldorfer Polizei vor. Vincents verstorbener Großvater sollte darin eine Rolle spielen. Die Bemerkung von Inspektionsleiter Thann fiel ihm ein: Ein Urgestein, alte Schule.
«Ich bräuchte die Sachen eher gestern als morgen. Übrigens habe ich die Zusage des Innenministers. Er macht den Schirmherrn. Die Eröffnung hängt nur noch von seinem Terminplan ab.»
«Ist gut, Max. Ich denk daran. Versprochen.»
Es ging um ein Foto und ein paar Briefe seines Opas. Vincent war sich nicht sicher, ob er sie zur Verfügung stellen sollte. Dass er seine Mutter um ihr Einverständnis bitten wolle, war nur ein Vorwand gewesen, um die Entscheidung hinauszuzögern.
Ihm widerstrebte die Vorstellung, den Namen Veih an den Stellwänden im Keller der Festung zu lesen. Vincent fragte sich, ob Thann und die anderen Obermuftis von den Briefen wussten. Hatte Dilling ihnen wirklich erklärt, was er im Schilde führte?
«Ich zähle auf dich!», rief ihm der ältere Kollege zu, als er den Paternoster im ersten Stock verließ.
Nora goss gerade das Bäumchen im Geschäftszimmer, als Vincent hereinkam. Die Schreibkraft war meistens die Erste und blieb oft länger, als sie musste. Um nicht in den Stau auf der Autobahn zu geraten, behauptete sie, die draußen in Willich wohnte. Vincent fragte sich, ob Nora auch ein Privatleben hatte.
«Da freut sich der Gummibaum», bemerkte er. «Auf so viel Pflege könnte man fast neidisch werden.»
«Gummibaum?» Sie lachte. «Du Banause, das ist eine Birkenfeige. Ficus benjamina .»
«Wieder etwas dazugelernt.»
Er riss die Tüte auf, die er vom Bäcker an der Lorettostraße mitgebracht hatte, und drapierte die Sachen auf dem Tisch. Erdbeerschnitte, Quarkteilchen. Er ließ Nora die Wahl.
Sie griff zu. «Warum wirst du nicht dick davon?», fragte sie mit vollem Mund. «Wie schaffst du das?»
«Die Teilchen haben keinerlei Kalorien. Oder siehst du eine?»
Sie leckte sich die Finger ab. «Wann machen wir den Umzug?»
«Muss das sein?»
«Wenn du Elas Zimmer nicht in Beschlag nimmst, wird das ein anderer tun. Thilo beschwert sich schon seit Jahren über die Bushaltestelle unter seinem Fenster. Stell dir das mal vor. Er im Chefzimmer nebenan. Was gäbe das für ein Bild?»
«Fragt sich nur, ob sich ein Umzug lohnt.» Vincent bediente sich an der Kaffeemaschine. «Die Beförderung ist nur vorläufig. Wer weiß, wer am Ende in Elas Zimmer landet?»
«Wollen wir wetten?»
«Hab schon was mit Anna am Laufen.»
«Etwas am Laufen?» Nora lachte wieder. «Jetzt werde ich neidisch.»
Sie holte eine Klarsichthülle hervor, steckte einen Geldschein hinein und bestand darauf, dass Vincent seinen Einsatz hinzugab. Zehn Euro waren die Standardsumme im KK11.
Nora klebte ein Etikett auf die Hülle. «Was soll ich schreiben?»
«Chefwette zwei.»
«Apropos Anna, weißt du, dass sie eine Fehlgeburt hatte? Sei nett zu ihr, wir müssen Sie etwas aufmuntern. Aber das hast du jetzt nicht von mir erfahren.»
«Natürlich.»
Vincent wandte sich dem Posteingangsfach zu. So voll hatte er es selten erlebt.
«Das gehört jetzt zu deinem Job», sagte Nora, während er es leerte. «Ob vorläufig oder nicht.»
Auf dem Weg in sein Zimmer
Weitere Kostenlose Bücher