Schwarzlicht (German Edition)
Fördergelder, und den Rest strecke ich vor.»
Erst Brigitte, jetzt auch noch Max Dilling. Alle wollten unter die Autoren gehen. «Um ehrlich zu sein …»
«Du musst nichts begründen, Vincent, ich versteh dich sehr gut. Der eigene Opa, daran knabbert man lange. Aber du gehörst nicht zu denen, die verdrängen wollen. Und es geht nicht bloß um eine Ausstellung.»
«Sondern?»
«Es geht um die Wahrheit, mit der wir uns früher oder später auseinandersetzen müssen. Als Polizisten und als Menschen.»
«Gib mir noch einen Tag Bedenkzeit.»
Max seufzte, dann legte er auf.
Vincent studierte das Display seines Mobiltelefons. Er rief seine Mailbox an.
Sie haben eine neue Nachricht. Zum Abhören der Nachricht …
Er tippte auf die Eins.
Ein Anruf um elf Uhr sechsunddreißig.
Gleich darauf vernahm Vincent die Stimme von Nina. Sein Herz ging schneller.
Du Arschloch gehst einfach nicht ran, ich kann es nicht fassen! Du Heuchler, mir machst du die Hölle heiß wegen eines dummen Seitensprungs. Und selbst sitzt du händchenhaltend in der Kneipe. Weißt du was, Vincent …
Er hörte ein Schniefen, dann brach Ninas Stimme ganz ab.
Wieder die Computeransage: Sie haben keine weiteren Nachrichten.
Vincent ließ das Handy sinken. Sein Blick suchte die Augen des Kollegen im Rückspiegel, doch der ehemalige SEK-Rambo schaute unbeirrt in Richtung Fahrbahn.
Zwölf Jahre ist es her, dass ich mein Studium geschmissen habe, überschlug Vincent. Wie viele Wochen und Tage im Polizeidienst seitdem? Zuerst eine Menge Nachtschichten für die Kriminalwache. Danach zu viele Überstunden für zu viele Tote. Hätte Nina was mit dem Anwalt angefangen, wenn ich einen anderen Beruf gewählt hätte?
Vincent überlegte, ob er sie zurückrufen sollte. Felix würde Zeuge werden. Das Privatleben des Vorgesetzten – beliebter Stoff für Klatsch und Tratsch.
Scheiß drauf.
Er tippte auf das Symbol für die Mobilnummer seiner Freundin.
Sie sprechen mit dem Anschluss von Nina Holsten …
Vincent ließ es sein.
38
Castorps Privathaus stand am Bochumer Stadtpark. Eine Villa aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, Erker, allerlei Gauben und ein Türmchen, schwarzer Schiefer auf dem Dach und an der Fassade des Obergeschosses. Ein gepflegter Vorgarten. Vincent erinnerte sich an Zeitungsberichte, zwei oder drei Jahre alt: Castorp hatte das Geld für Erwerb und Renovierung von einem befreundeten Unternehmer als zinsloses Darlehen erhalten. Angeblich ohne politische Gegenleistung und inzwischen abbezahlt.
Felix May hielt den Wagen an. Der Regen prasselte hart auf das Dach. Die Sicht nach vorn verschwamm. Vincent zögerte auszusteigen, auch sein Kollege schien keine Lust zu haben, klatschnass zu werden.
«Er hat sie gedemütigt», sagte Felix und schloss seinen schwarzen Blouson bis zum Hals. «Eine Freundin nach der anderen. Welche Ehefrau wird da nicht sauer?»
«Und dann schlägt sie die Gelben Seiten auf. Unter ‹K› wie ‹Killer›.»
«Vielleicht hat sie Körber bezahlt, den Fahrer.»
«Und macht gemeinsame Sache mit der Opposition. Oder mit dem Kerl, der jetzt in der CDU an Castorps Stelle rückt.»
«Minister Driesbach?»
«Wie steht’s um dein Motiv, Felix?»
«Bitte?»
«Wenn ich’s recht bedenke, traue ich dir den Mord am ehesten zu. Du warst auffällig rasch am Tatort. Hast wahrscheinlich keine Schutzkleidung benutzt, um das Spurenbild durcheinanderzubringen.»
Ein böser Blick traf Vincent. «Hör mal, jetzt reicht’s aber!»
Sie verharrten noch einen Moment, dann sahen sie ein, dass das Warten zwecklos war, stiegen aus und spurteten zum Hauseingang. Vincent übersah eine Pfütze und holte sich zu allem Überfluss noch nasse Füße.
Es gab ein Vordach. Die Tür war aus Holz, weiß lackiert, in der Mitte ein kleines Fenster mit Eisengitter. Vincent fand den Klingelknopf. Felix keuchte und rubbelte mit einem Stofftaschentuch sein Haar trocken.
Die Dame des Hauses öffnete, in Trauerschwarz gekleidet. Perlen um den Hals. Kein Wort übers Wetter, kein Handschlag zum Gruß. Nur eine kraftlose Geste, mit der Simone Castorp ihren Besuch nach drinnen leitete.
«Mir ist das alles ein großes Rätsel», sagte die Witwe.
Vincent nickte. Er hatte das helle Lederpolster seines Stuhls vollgetropft und hoffte, dass die Flecken wieder verschwinden würden. Das Esszimmer kannte er von den heimlichen Aufnahmen ihres Mannes. Die Zweige in der großen Vase, Büschel von gelben Blüten. Auch den Bernhardiner, der unter dem Tisch
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