Schwarzlicht (German Edition)
zeigen.»
«Fotos?»
Vincent verlor die Geduld. «Wir müssen uns unterhalten. Ich schlage vor, dass ich morgen nach Berlin komme. Die Uhrzeit können Sie bestimmen.»
«So schnell geht das nicht, Herr …»
«Wenn Sie nicht kooperieren, lasse ich Sie vom Staatsanwalt vorladen. Dann sehen wir uns im Berliner Landeskriminalamt an der Keithstraße. Wie Sie wollen, Herr Brennecke.»
«Moment mal!»
«Allerdings kann ich in dem Fall nicht ausschließen, dass die Medien von Ihrer Vorladung Wind bekommen. Sie wissen ja. Eine undichte Stelle kann sich überall auftun.»
Vincent bemerkte den Blick des Kollegen May im Spiegel.
Der Referent stotterte: «Ich … ich kann Ihnen frühestens für Montag …»
«Herr Brennecke, Sie reden gerade mit einem Kriminalbeamten.»
«Ich weiß.»
«Wir telefonieren um dreizehn Uhr noch einmal, bis dahin haben Sie einen Termin freigeschaufelt. Für morgen.»
Die Nummer von Max Feist besaß Vincent nicht. Laut Anna Winkler war der Mann Abgeordneter. Vincent rief die Auskunft an und ließ sich mit der Bundestagsverwaltung verbinden.
Eine Frau meldete sich. Angenehmes Timbre, ein leichter Berliner Akzent. «Wir haben heute Plenarsitzung», sagte sie. «Aber vielleicht ist Herr Feist in seinem Büro.»
Vincent hörte der Warteschleifenmusik zu. Ein Mitarbeiter meldete sich, eindeutig Schwabe. Vincent fragte nach dem Politiker.
«Einen Moment, bitte.»
Dann ein hoher Singsang, den Vincent dem Dicken auf dem Observierungsfoto nicht zugetraut hätte. «Max Feist, was kann ich für Sie tun?»
Vincent stellte sich vor.
Schlagartig war jede Freundlichkeit aus der Stimme gewichen. «Was wollen Sie?»
«Sie gelten als Zeuge im Mordfall Walter Castorp. Sie und ein Referent des Kanzleramts sind wenige Stunden vor der Tat mit dem Opfer gesehen worden.»
«Wollen Sie andeuten, wir hätten etwas mit Walters Tod zu tun? Lächerlich!»
«Ich sagte Zeuge, nicht tatverdächtig. Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten.»
«Walter wurde gegen siebzehn Uhr umgebracht, hat man mir gesagt. Unser Rückflug ging irgendwann nach drei. Lufthansa. Das können Sie nachprüfen. Zufrieden?»
«Warum haben Sie ihn besucht?»
«Politische Gespräche unter Parteifreunden. Vertraulich.»
«Ich bin morgen in Berlin. Können wir einen Termin vereinbaren?»
«Unmöglich. Sitzungswoche. Lassen Sie uns am Montag telefonieren. Noch besser am Dienstag.»
«Sie können die Kripo nicht hinhalten, Herr Feist. Entweder Sie treffen sich freiwillig mit mir, oder ich lasse Sie vorladen.»
Wieder der Blick von Felix im Spiegel.
«Ach, wirklich? Packen Sie immer gleich die ganz große Streitaxt aus, Herr …»
«Veih.»
«Fragen Sie mal Ihren Innenminister, was der davon hält, wie Sie mit einem gewählten Volksvertreter umspringen, mein lieber Herr Veih!»
Aufgelegt.
Sie überquerten die Ruhr. Es war dunkel geworden, als sei die Sonne gar nicht aufgegangen. Einzelne Tropfen klopften schwer auf die Frontscheibe.
Vincent knipste das Licht an der Wagendecke an, schlug den ersten Aktendeckel auf und begann, sich Notizen zu machen. Rasch merkte er, dass ihm die Konzentration fehlte. Der Regenschauer brach mit Wucht vom Himmel, die Wischer schrubbten geräuschvoll über die Scheibe. Stau vor dem Dreieck Essen-Ost.
Das Handy gab Laut. Max Dilling aus dem Leitungsstab des Präsidenten, sein einstiger Dienstgruppenleiter: «Die Ausstellung eröffnet am Montag. Noch fünf Tage, einschließlich Wochenende. Ein Profisprecher vom WDR hat die Briefe für mich eingelesen. Ohne Honorar zu verlangen, stell dir vor. Es wird Kopfhörer für die Besucher geben. Ich brauche nur noch dein Okay und die Originale für die Vitrine. Was ist? Sag endlich ja!»
Vincent hatte Dilling erlaubt, Opas Briefe für seine Sammlung zu kopieren. Er fragte sich, ob das richtig gewesen war. «Ich konnte meine Mutter noch nicht fragen. Versteh doch, die Sache Castorp …»
Wieder das tutende Anklopfgeräusch. Oder verlangte das Handy danach, den Akku aufzuladen? Nein, dann würde es piepsen.
«Ich habe übrigens den Namen Gerhard Veih in alten Akten gefunden. Das heißt, ich kann nachweisen, dass er 1942 im Raum Lublin war.»
«Du bist also nicht auf die Briefe angewiesen.»
«Doch, natürlich! Du weißt selbst am besten, wie sie auf einen wirken. Als historische Dokumente sind sie von unschätzbarem Wert. Denk bitte auch an das Foto, dein Opa als junger Mann in Uniform. Übrigens plane ich ein Buch zur Ausstellung. Ich bekomme
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