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Schwarzlicht (German Edition)

Schwarzlicht (German Edition)

Titel: Schwarzlicht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Eckert
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danke.»
    Vincent trug den heißen Becher in sein Zimmer und sah auf dem Display seines Handys nach.
    Saskia Baltes. Er rief zurück.
    «Hast du einen Computer in der Nähe?», fragte die Reporterin.
    Vincent warf seinen Rechner an. «Dauert ein bisschen.»
    «Klick auf den Browser.»
    «Moment … jetzt.»
    «Geh auf die Seite archive.org .»
    «Jawohl, hab ich.»
    «Das ist eine Trackback-Seite, mit der du alte Websites ansehen kannst, die inzwischen geändert oder gelöscht wurden. Siehst du die Maske oben?»
    «Ja.»
    «Gib die Adresse Chateau-Bellevue.de ein.»
    «Dieser Edelpuff draußen in Unterbach?» Ihm fiel ein, was Kollegen der Schutzpolizei ihm einmal erzählt hatten. Sie waren ausgerückt, weil der Bruder eines Nationalspielers dort randaliert hatte. Die Pointe war, dass der Fußballstar ebenfalls anwesend war, nachts um drei, nur zwei Tage vor einem Länderspiel. Sturzbetrunken wollte der Mann in seinem Ferrari davonfahren. Die Kollegen hatten Mühe, ihn daran zu hindern.
    Nichts davon war an die Öffentlichkeit gedrungen, aber ein gutes Jahr später wurde derselbe Ballkünstler des Dopings überführt: Kokain im Urin – angeblich koksten manche Fußballer gern, um Schmerzen zu betäuben und das Selbstvertrauen hochzuschrauben.
    Vincent fiel der Name ein: Mike Dollinger. Bei der Fortuna hatte er nie gespielt.
    «Was siehst du jetzt?», fragte Saskia.
    «Eine Liste mit Jahreszahlen und ein Diagramm.»
    «Klick auf 2011 .»
    «Okay.»
    «Jetzt müsstest du die Homepage des Etablissements vor dir haben, wie sie vor zwei Jahren aussah. Links die Menüleiste. Hast du’s?»
    «Ja.»
    «Klick auf Die Ladies .»
    Eine Unterseite baute sich auf. Unsere Ladies für Genießer . Acht Fotos mit Namen. Pseudonyme, vermutete Vincent. Die Gesichter nicht kenntlich.
    «Jetzt auf Vanessa .»
    Er klickte den Namen an. Sechs weitere Bildchen erschienen auf dem Schirm, sie zeigten eine Frau in verschiedenen Phasen der Entkleidung. Mal war ihr Gesicht durch eine breite Augenbinde kaschiert, dann von einem Hut überdeckt. Dazu gab es ein paar Zeilen Text.
    Vanessa ist das Energiebündel im Chateau Bellevue. Fröhlich und frech wie ein Schulmädchen, erwartet sie dich zu heißen Begegnungen, die du nicht vergessen wirst. Wo andere aufhören, dreht Vanessa erst richtig auf.
    «Und?», fragte Saskia.
    Vincent stellte sich Castorps Referentin vor. Die Haarfarbe schien zu stimmen, die schmale Nase, die Form der Lippen. Leider war die Stelle, an der bei Carmen Markowitz die kleine Narbe saß, in keiner Aufnahme zu sehen.
    «Woher hast du den Hinweis?», fragte Vincent.
    «Von einem Kollegen.»
    «Der auf dem SPD-Ticket fährt.»
    «Du könntest dich für meinen Tipp bedanken, finde ich.»
    «Unser Pakt nimmt allmählich Formen an», gestand Vincent ihr zu.
    Nachdem er aufgelegt hatte, ging er zurück auf die Seite, die sämtliche Damen vorstellte. Mit einem Kribbeln im Bauch klickte er auf die Allererste.
    Corinne.
    Wieder sechs Fotos. Das Mädel von vorn und von hinten. In Unterwäsche und splitternackt. Wieder verdeckte ein Hut die Augen. Auf der Schulter ein verblasster Skorpion.
    Vincent kannte das Tattoo. Sie hatte es sich vor sechsundzwanzig Jahren stechen lassen, als sie noch gemeinsam mit Jackson das Nesthäkchen der Punker-Clique gewesen war. Mit vierzehn war sie von zu Hause ausgerissen, weil der Alte ihr an die Wäsche wollte. Alle liebten und behüteten sie, auch wenn sie noch so kratzbürstig war. Ein Engelsgesicht. Wie ein Versprechen, das zu schön war, um jemals erfüllt zu werden.
    Blümchen – sie war es, jede Wette.
    Als fünfzehnjähriger Ausreißer hatte er sich über beide Ohren in das Mädchen verliebt. Aber er hatte sie nie berührt oder geküsst, obwohl sie wochenlang im gleichen Zimmer gepennt hatten. Er hatte es nicht geschafft, ihr seine Gefühle zu gestehen, so schüchtern war er gewesen, so groß seine Angst, zurückgewiesen zu werden.
    Ein paar Mal hatten sich später ihre Wege gekreuzt. Zuletzt vor acht Jahren. Ingo hat recht, überlegte Vincent. Der damalige Erfolg hat auch mir den Karriereweg geebnet. Aber den Preis hat Blümchen bezahlt.
    Vincent suchte in seinem Adressbuch nach ihr. Bettina Blume. Er fand eine uralte Handynummer und wählte sie. Eine weibliche Automatenstimme: Diese Nummer ist zurzeit nicht vergeben .
    Er legte auf.
    Ingos Ermahnung: Lass gut sein, Vinnie. Sie wollte es so.
    Vincent wünschte sich, er könnte den Abend vor acht Jahren ebenso leicht abhaken wie der Kollege.

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