Schwarzlicht (German Edition)
fürchterlich beschimpft.
Es begann eigentlich ganz harmlos. Er fragte nur nach seinem Vater.
Brigitte hatte die Tage der Schleyer-Aktion in Bagdad verbracht. Als Abgesandte der RAF traf sie dort mit dem Palästinenser Wadi Haddad zusammen, um die Entführung der Lufthansamaschine namens Landshut zu koordinieren. Ein gewisser Jens-Volker Ristau war mit von der Partie. Als Brigitte zwei Jahre später in Augsburg festgenommen wurde, war sie noch immer in Ristaus Begleitung. Vincent mutmaßte, dass die beiden sich bereits aus Hamburg kannten.
«War es Jens-Volker Ristau?», fragte er.
Sie verneinte und brach zu seiner Überraschung in Tränen aus. Er hätte nie vermutet, dass sie zu einer so heftigen Gefühlsregung imstande war. Seine Mutter trauerte noch immer um den Terrorbruder, der zwei Jahrzehnte zuvor in Augsburg getötet worden war. Die Trennung von ihrem Kind dagegen hatte sie kaltgelassen.
Voller Eifersucht warf er ihr das vor.
Die Ohrfeige, mit der Brigitte darauf reagierte, brannte immer noch.
Aus dem Ruder gelaufen – vielleicht das Motto ihrer beider Leben.
Seit seiner Kindheit stellte er sich die stets gleichen Fragen: Wie hatte seine Mutter so werden können? Wegen Opa? Wegen Vietnam? Oder waren es die falschen Freunde?
Einer von ihnen war vermutlich sein Vater.
Wie viel von diesen schrecklichen Leuten steckt womöglich in mir?
46
Nora hatte Rhabarberkuchen gekauft. Vincent griff zu.
«Verrat mir das Rezept deines Waschbrettbauchs», sagte sie.
Er musste lachen und versprühte Krümel.
«Ich meine das ernst.»
«Zehn Kilometer pro Tag laufen plus Hanteltraining. Sit-ups, Liegestütze …»
Entsetzen in ihrer Miene.
Er wies auf den Kuchen. «Aber vielleicht tut’s auch eine Rhabarberdiät.»
Sie warf den Rest ihres Stücks in den Papierkorb, trat vor das Fenster, zog den Bauch ein und drückte mit den Händen dagegen. «Staatsanwalt Kilian hat übrigens angerufen.»
«Und?»
«Ich soll dir ausrichten, dass der Richter einer Telefonüberwachung von Frau Markowitz nicht zustimmt.»
«Mist.»
«Der Staatsanwalt sagt, dass die Fotos als Begründung nicht ausreichen.»
«Ich hab’s befürchtet.»
Das Telefon in seinem Büro schrillte. Vincent schluckte den letzten Bissen und lief hinüber.
«Veih, Kripo …»
«Ich bin’s, Dominik. Die Detektivin heißt Emma Liebig. Ich hab die Adresse und alles. Rate mal, wie ich das geschafft habe.»
«Und?»
«Die Leute beim Blitz haben völlig dichtgemacht. Aber eine Sekretärin hat mir einen Zettel zugesteckt. Aus Rache dafür, dass ihr Chef sie angeblich schlecht behandelt. Sie behauptet, er bespucke sie mit Kirschkernen.»
«Sieh an, unser Neuling macht Fortschritte.»
«Danke.»
«Was hast du mit der CD gemacht?»
«Hab sie bei der Sekretärin gelassen. Sie wird uns nicht verpfeifen. Die Detektivin ist übrigens ein unbeschriebenes Blatt, keine Akte bei uns, auch nichts in der überregionalen Datei. Ihre IHK-Prüfung hat sie vor drei Jahren abgelegt, alles korrekt.»
«Das muss nichts heißen.»
«Ich hoffe, es ist dir in einer halben Stunde recht. Treffen wir uns vor Ort?»
Dominik Roth gab Emma Liebigs Adresse durch. Gerresheim, im Osten der Stadt. Zu weit ab vom Schuss für eine Detektei von Rang, überlegte Vincent.
Bevor er aufbrach, stattete er dem Aktenführer einen Besuch ab. May tippte gerade etwas in den Computer und trug trotz der Wärme seinen Blouson. Im Raum hing ein Gemisch aus Schweißgeruch, Staub und dem Mief, der in diesem Gebäude allgegenwärtig war.
«Du solltest mal lüften, Felix.» Vincent setzte sich.
May blaffte ihn unvermittelt an: «Hör mal, ich finde es nicht in Ordnung, wenn du mir dienstliche Aufträge durch unseren Neuling ausrichten lässt. Wie sieht das denn aus?»
«Das muss heißen: Ich finde es nicht in Ordnung, Chef.»
Das Gesicht des Kollegen lief rot an. «Ich finde es nicht in Ordnung, Chef! »
«Schon besser. Was macht die Abfrage bei den Ärzten und Kliniken wegen der Schussverletzung?»
«Noch keine positive Rückmeldung.»
«Und die Funkzellenauswertung für den Tatortbereich?»
«Das Landesamt hat sich auch noch nicht gerührt.»
«Pennen die? Das läuft doch schon seit gestern! Hak da noch mal nach. Was ist mit Feist und Brennecke?»
Felix starrte ihn an, dann senkte er den Blick auf seine Notizen. «Stehen auf der Passagierliste für besagten Flug LH 2736 und waren auch an Bord. Abflug 15.15 Uhr, Landung 16.20 Uhr. Selbst wenn sie mit der nächsten Maschine
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