Schwarzlicht (German Edition)
kümmern!»
«Er meint, er kann da im Moment sowieso nichts ausrichten. Die beschuldigten Kollegen wollen zur Sache nichts aussagen. Hätte ich Anna mitnehmen sollen?»
«Die brauche ich für die Castorp-Sache.»
«Na, siehst du.»
Vincent beendete das Gespräch. Becker hatte recht, und trotzdem fühlte sich Vincent betrogen. Er erreichte den Stadtteil Gerresheim und folgte den Straßenbahnschienen zum Aloys-Odenthal-Platz, dabei nach den Hausnummern spähend. Fast hätte er Dominik übersehen, der am Straßenrand winkte, um ihn auf eine leere Parkbucht aufmerksam zu machen.
Das Gebäude, in dem die Detektivin ihr Büro hatte, war ein schmuckloses Eckhaus, im Erdgeschoss logierte eine Sparkassenfiliale. Die Fassade hätte einen Anstrich nötig gehabt. Die Haustür war nicht abgeschlossen, der Treppenaufgang düster.
Emma Liebig öffnete, klein und pummelig, aber ein hübsches Gesicht. Ihr T-Shirt trug den Aufdruck Free Tibet , Vincent schätzte die Frau auf Mitte dreißig. Der Geruch nach Katzenklo stach ihm in die Nase.
«Gehen wir ins Büro», sagte die Detektivin.
Eine Bücherwand, davor ein heilloses Durcheinander aus Zeitschriftenstapeln, Pantoffeln und Aktenordnern. An der Wand eine gerahmte Fotografie des Dalai Lama. Der Schreibtisch war eine Platte auf zwei Böcken, bedeckt von Fachliteratur, einer Buddhafigur, schmutzigen Teetassen, jeder Menge Karteikarten und losen Zetteln. Dagegen ist mein Zimmer aufgeräumt, dachte Vincent. Er hätte darauf wetten mögen, dass Liebig in diesem Verhau nur selten Besucher empfing.
Sie bot Vincent eine kurze Trittleiter als Sitzgelegenheit. Für Dominik gab es nur einen rosafarbenen Sitzsack – der Kollege zog es vor, sich gegen den Heizkörper zu lehnen.
Vincent verschob die Leiter, um die Detektivin besser im Blick zu behalten. Manchmal verrät die Fußhaltung mehr als Mimik und Gestik, die leichter zu steuern sind und daher lügen können.
«Warum haben Sie Walter Castorp beschattet?», begann Vincent die Befragung.
Liebig lächelte. «Um Fotos zu machen.»
«In wessen Auftrag?»
Sie zog die Füße unter den Stuhl. «Muss ich das beantworten?»
«Spätestens, wenn Sie der Richter im Mordprozess befragt.»
«Wieso sollte es dazu kommen?»
«Die Staatsanwaltschaft könnte Ihre Fotos zu Beweismitteln erklären.» Eine getigerte Katze schlüpfte zur angelehnten Tür herein und strich um seine Beine. «Der Zeitung gegenüber haben Sie behauptet, die Frau des Ministerpräsidenten hätte Sie beauftragt.»
«Habe ich das?»
Die Katze stakste weiter, streckte sich, lief wieder aus dem Zimmer.
«Ich rate Ihnen, ehrlich zu sein, Frau Liebig.»
Ihre Füße verhakten sich um die Stuhlbeine. «Natürlich.»
«An der Karosserie von Castorps Audi war ein Peilsender versteckt. Personen-Tracking ist illegal, dafür kann es eine mehrjährige Haftstrafe geben, Frau Liebig. Vielleicht sollten wir die Fingerspuren auf dem Sender mit Ihren Abdrücken vergleichen.»
Das Lächeln entglitt ihr. «Werde ich hier als Zeugin befragt oder als Beschuldigte? Ich glaube, ohne einen Anwalt sage ich wohl lieber kein Wort mehr.»
«Aber Frau Liebig, was ist schon ein Peilsender gegen einen Mord? Einigen wir uns darauf, dass wir den Sender vergessen und Sie uns reinen Wein einschenken.»
Die Detektivin senkte den Blick, nur kurz. «Ich habe ganz vergessen, Sie zu fragen, ob Sie etwas trinken möchten. Yogi-Tee, Wasser?»
Dominik verneinte, Vincent schüttelte den Kopf.
Sie zuckte mit den Schultern. «Ich bin Castorp aus eigenem Antrieb gefolgt. Um die Bilder den Medien anzubieten.»
«Was zahlt Ihnen der Blitz dafür?»
«Fünftausend für die exklusive Option. Und den gleichen Betrag noch einmal für jedes Foto, das gedruckt wird. Aber bis jetzt haben sie nichts davon benutzt, obwohl ich ihnen die CD rechtzeitig per Kurier geschickt habe.»
Vincent vermied es, Dominik anzusehen.
«Noch etwas?», fragte die Detektivin.
«Was war in den beiden Aktenkoffern?»
«Keine Ahnung.»
Erst jetzt löste sie die Füße von den Stuhlbeinen – wieder auf sicherem Terrain.
« Ermenegildo Carofiglio , so hieß der Laden, in dem Castorp die Koffer gekauft hat.»
«Stimmt, so etwas stand über der Tür. Aber ich bin nicht mit ihm hineingegangen. Das wäre zu auffällig gewesen.»
«Am Tag nach seiner Rückkehr haben Sie den Ministerpräsidenten immer noch beschattet.»
«Ja.»
«Warum?»
«Ich hatte so ein Gefühl.»
«Wollen Sie behaupten, Sie hätten Castorps Tod
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