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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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Auf einmal war das Vermächtnis des Artikels nicht zu
ertragen. Berenike spürte, wie ihr bitterer Mageninhalt nach oben drückte. Seit
Jahren hatte sie Magenprobleme. Egal, welche Fastenkur man ihr empfohlen hatte,
nichts hatte geholfen. Sie sei übersäuert, hatte man diagnostiziert. Verdammt,
wie passend.
    Finsternis ergriff Besitz von ihr, griff sich ihr Leben, den
Teesalon, ihr Herz. Die ganze Welt da draußen. Sie lehnte sich zurück, ließ den
Kopf gegen die Wand sinken. Ausgebrannte Teelichter standen auf den Tischen.
Das Blumengesteck vor ihr war verdorrt. Nicht einmal Ragnhilds Freundinnen
kamen heute vorbei oder jemand aus der Kurverwaltung, wie sonst. Sie hatte die
Leute über den mutmaßlichen Mord an Rabenstein tuscheln gehört. In der Trafik,
im Supermarkt, überall. Alle redeten über sie und den von ihr gebrauten Tee.
Ein oder zwei anderen Leuten war angeblich nach der Lesung schlecht geworden,
das war ihnen im Nachhinein eingefallen. Sie musste es wohl als Glück ansehen,
dass nicht mehr passiert war. Berenike rieb sich die Augen. Hoffentlich kam
nicht gerade jetzt ein Gast.
    Die Buchstaben vor ihr bildeten verrückte geometrische
Muster. Vielleicht würde grüner Tee sie munter machen. In Wirklichkeit brauchte
sie Schlaf. Ihr Schlafbedürfnis war seit ihrem Zusammenbruch nicht auf das
übliche Ausmaß zurückgegangen. Leider war es unmöglich, dem jetzt nachzugeben.
    Berenike öffnete eines der neuen Fenster, um die sie den
Hausbesitzer gebeten hatte, weil es durch die alten dermaßen gezogen hatte.
Herr Scheiner hatte das eingesehen, seine letzte Gefälligkeit. Sie sah hinaus,
der nächste Regenschauer würde nicht ausfallen. Ihr gefiel dieses Wetter besser
als die Hitze, die sich in Wien auch nachts hielt, weil die Mauern im dicht
verbauten Gebiet sie speicherten. Erst gestern hatte ihre Mutter wieder ins
Telefon gejammert, dass es in der Stadt viel zu heiß sei. 35 Grad und mehr
jeden Tag. Selbst nachts habe es in ihrer Wohnung über 30 Grad. Die Sonne sei
nicht auszuhalten, außer Haus gehen so gut wie ausgeschlossen. Sie überlege die
Anschaffung einer Klimaanlage. »Gerda ist sehr zufrieden mit dieser
Investition. Aber die hat genug Geld. Du weißt, was für ein Stromfresser so ein
Gerät ist.« Berenike hatte nur mühsam das Gespräch beenden können.
    Die Artikelkopien raschelten in ihrer Hand, als sie sich
setzte und weiterlas. Von Haims beruflichem Aufstieg war die Rede und von dem
Haus, das er und seine Frau sich zusammengespart hatten.
    ›Das Ehepaar Haim machte nach dem sogenannten Umsturz 1938
kein Hehl aus der Ablehnung der neuen Machthaber. Sie unterstützten eine
Widerstandsgruppe, die sich im Toten Gebirge versteckt hielt. Zu ihnen zählten
aus dem KZ oder dem Gefängnis Geflüchtete, aber auch Männer, die nicht als
Soldaten einrücken wollten. Wie viele andere in der Gegend stellten Beppo und
Hermine Haim Lebensmittel, Medikamente oder die im Gebirge so dringend
benötigte warme Kleidung zur Verfügung. Im Sommer 1944 jedoch wurde Beppo Haim
verhaftet.‹
    »Hallo, griaß di, Berenike!«
    »Alma, servus!«
    »Könnt ich bitte zehn Deka Meditationsmischung haben?
    »Gern.« Berenike füllte die groß belassenen Blätter –
Hanf, Ringelblumen und noch einige Kräuter – mit einer Schaufel in ein
grünes Papiersäckchen mit dem wunderbaren roten Aufdruck ›Literatur- und
Teesalon, Berenike Roither‹. Stolz, sie konnte so stolz sein auf das Erreichte!
    »Die Redaktion macht mir Druck, ich muss die neue
Astro-Kolumne heute abgeben«, Alma sah Berenike gequält an, »da brauch ich ein
bissel Nachhilfe bei der Inspiration.«
    »So, bitte! Darf es noch etwas sein, Alma? Vielleicht eine
Tasse Tee?«
    »Danke, ich muss arbeiten.«
    »Verstehe.« Berenike sah zu den Papieren mit Rabensteins
Artikel. Wie leichtsinnig, sie offen liegen zu lassen. Aber vor Alma brauchte
sie sich hoffentlich nicht zu fürchten. »Das macht sechs Euro fünfzig, bitte.«
Alma warf beim Bezahlen einen eigenartigen Seitenblick auf Berenike und
verschwand im wehenden hellen Sommerkleid, creme, wie die Unschuld persönlich.
    Berenike strich mit den Fingerspitzen über das Papier. Ihre
Augen flogen wieder über die Buchstaben.
    ›Die Mitglieder der Widerstandsgruppe vertrauten einander und
fühlten sich sicher, musste man hier im Gebirge doch seit jeher zusammenhalten.
Widerständigsein hat Tradition, sei es gegen kaiserliche, kirchliche oder eben

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