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Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi

Titel: Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Buerkl
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faschistische Obrigkeiten. Niemand rechnete daher mit Denunziation. Beppo Haim
wurde ins KZ Mauthausen deportiert, von dort zum Arbeitseinsatz ins Lager
Ebensee kommandiert. Es gelang ihm, trotz harter Arbeit und Entbehrungen, bis
zum Frühjahr 1945 zu überleben.‹
    Der Journalist spekulierte über eine Flucht aus dem Lager,
die Beppo Haim geglückt sein sollte.
    ›Möglicherweise hatte der Salinenarbeiter vor, sich zu den
sogenannten Partisanen durchzuschlagen. Zu dieser Zeit suchte immer mehr
Nazi-Prominenz im Ausseerland Schutz, ebenso zurückweichende Armeeeinheiten.
Zusammen mit fanatischen SSlern verwandelten sie die Region in einen
Hexenkessel. Im enteigneten Haus der Haims …‹
    Berenike ließ das Blatt sinken. Am Ende der dritten Seite,
mitten in einem Satz, riss Rabensteins Artikel ab. Tränen brachen sich Bahn.
Warum? Die Frage quoll überall quälend hervor. Eine Frage, auf die es nie eine
Antwort gab. Unerträglich war das Wissen, das sich aufdrängte und doch nie
vollständig war. Man konnte nicht ›nicht wissen‹. Es gab kein Vergessen. Kein
gnädiges.
    Steckte in diesen Seiten ein Mordmotiv? Es musste eine
Fortsetzung geben, wo war sie? Was hatte Rabenstein mit dem Bericht vorgehabt?
Wer wusste von dem Artikel? Wer hatte ein Interesse daran, die Aufdeckung zu
verhindern? Viele hatten sich in der Hitlerzeit bereichert, auch noch in den
letzten Kriegstagen, das wusste Berenike. Vieles war nie zurückgegeben worden.
Auch hier, in dieser letzten Verteidigungsbastion des Tausendjährigen Reiches.
Berenike konnte nur ahnen, was sich im Frühjahr 1945 im Ausseerland abgespielt
haben mochte. Die Rettung der im Salzbergwerk gelagerten, aus aller Welt
geraubten Kunstschätze war legendär. Salinenarbeiter widersetzten sich der
angeordneten Vernichtung und entfernten die Sprengsätze. Später die schussfreie
Übergabe Bad Aussees an die Alliierten Truppen durch eine Frau, Edith
Hauer-Frischmuth. Wer weiß, was ewige Nazis noch zerstört, gesprengt, mit in
den Abgrund gerissen hätten? Auch im letzten Aufbäumen noch. Hatte Rabenstein
in ein Wespennest gestochen? Dass man sich Prozesse nicht leisten könne, hieß
es. Und dass alles so lange her sei …
    Das Windspiel an der Tür bimmelte. Endlich Kundschaft.
Berenike erhob sich. Schnell schob sie die bedruckten Blätter unter einen
Stapel alter Zeitungen hinter der Theke.

13
    Earl Grey mit Jasminblüten
    Ein sonniger Morgen, endlich wieder. Nach langer
Zeit spürte Berenike unbändige Kraft und sprang aus dem Bett, nackt wie sie
war. Leicht fühlte sich mit einem Mal alles an. Jetzt würde sich alles lösen. Den
Montag Vormittag hatte sie sich freigegeben und ausgeschlafen. Sie würde den
Salon zu Mittag aufsperren, nach dem Wochenende war sowieso kaum was los.
    Sie trat ans Fenster. Kein Nebel, nur ein paar Wölkchen am
himmelblauen Himmel. Berenike schlüpfte in einen kurzen Kimono und ging in die
Küche. Drei Katzenkörper auf dem Fensterbrett, drei Köpfe hoben sich
gleichzeitig. Eine simultane Bewegung aus rotem, schwarzem und weißem Fell.
Marlowe sprang nach einem Moment des Überlegens vom Fensterbrett und strich ihr
um die Beine. Berenike ließ Trockenfutter in die Schüssel klappern, ein
Geräusch, das die Katzen wie Labortiere anlockte. Ein paar Minuten sah ihnen
Berenike vergnügt zu. Sie warf einen Blick auf den Mondphasen-Kalender an der
Wand. Gestern war Neumond gewesen, wer sagte es denn. Die Leere spürten viele,
hielten sie oft nicht aus. Jetzt durfte der Neubeginn kommen, nach all den
Katastrophen.
    Im Bad lächelte Berenike ihrem Spiegelbild zu. Täglich die
gleichen Handgriffe. Wie oft hatte sie sich in 36 Jahren die Zähne geputzt,
sich geschminkt und dabei, haha, die Zunge gezeigt? Never mind. In der Küche
griff sie nach der Dose mit Earl Grey, einem schwarzen Tee mit Bergamottearoma
und, es war eine außergewöhnlich edle Sorte, Jasminblüten. Zitroniger Duft erfüllte
die Küche. Die beinahe leere Dose mit dem Drachenmuster in rot und schwarz warf
Berenike in ihren Rucksack, um sie später im Salon nachzufüllen. Durch die
offene Balkontür strömte laue Luft herein, wehte auf die unter dem Kimono
nackte Haut. Die Katzen rekelten sich wieder auf dem Fensterbrett in der
breiten Hausmauer. Berenike setzte sich zu ihnen und trank ihren Tee.
    Heute wollte sie herausfinden, wie warm das Wasser im See
schon war. Sie schlüpfte in ein kurzes, bunt geblümtes Sommerkleid und suchte

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