Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
nach den Badesachen. Schwimmen belebte Körper und Geist. Und anschließend, sie
bückte sich nach dem Handtuch, das ihr aus der Hand gefallen war, würde sie bei
ihrem seltsamen Vermieter vorbeischauen. Heute war sie in der richtigen
Stimmung für diesen Besuch, Scheiner konnte doch einschüchternd wirken.
Vielleicht schaffte sie es, ihn zu überrumpeln und herauszufinden, was hinter
seinen Drohungen steckte.
Sie schaffte es sogar, von Frau Gasperl unbemerkt mit dem
Fahrrad loszufahren. Der Garten mit den vornehmlich blauen Zierpflanzen lag
verlassen da. Wahrscheinlich war die Hausfrau beim Einkaufen. In der Nähe hörte
sie eine elektrische Heckenschere aufjaulen. Von wegen, Ruhe und Idylle auf dem
Land! Sie ließ sich mit dem Rad die Straße hinunterrollen, fuhr dann langsamer
an der Kirche und am Gasthaus Seewirt vorbei. An der Friedhofsmauer lehnten ein
paar Fahrräder, einige ältere Frauen zupften an Grabbepflanzungen herum. Ob man
Rabenstein auch hier begraben würde, neben Filmregisseurin Karin Brandauer, den
Adeligen zu Werburg und von Czernin sowie jener Gräfin von Eltz, die eine
Chronik über die Ausseer geschrieben hatte …?
Auf der öffentlichen Badewiese war außer ihr noch kein
Mensch. Ein Hubschrauber kreiste laut brummend in mehreren Schleifen über dem
See und verschwand endlich. Das Lachen des Wirtes aus der nahegelegenen
Jausenstation schwang durch die ansonsten stille Luft. Berenike zog die
Sandalen aus, mit nackten Füßen berührte sie das taufeuchte Gras, letzter Gruß
der kühlen Nacht. Die Luft war erfüllt von Sommer, vom Versprechen heißer Tage.
Sie fühlte dem warmen Holz des Badestegs unter den Sohlen nach, der Sonnenwärme
auf den nackten Armen. Sie ließ das Kleid fallen, unter dem sie bereits den
Badeanzug trug. Schade, dass man hier nicht nackt baden konnte, es war einfach
zu viel los. Sie dachte an Beppo Haim. Er und seine Frau hatten wohl auch hier
ihre Freizeit verbracht. Wie idyllisch mochte so ein Kriegssommer gewesen sein?
Ob sich die beiden genauso beobachtet gefühlt hatten wie Berenike? Zischend
spritzte das Wasser, als sie sprang. Kühle, Weite. Sie schwamm hinaus, das
graue Gestein der Trisselwand im Blick. Sie tauchte das Gesicht ins kalte
Wasser, unter sich den steil abfallenden Grund. Tiefe Schwärze, Schwärme
kleiner Fische. Irgendwo musste ein Bach über die Ufer getreten sein, Äste und
Blätter trieben auf dem Wasser. Die Sonne zauberte ein Prickeln auf Berenikes
Kopfhaut. Auf dem Badefloß weiter draußen wärmte sie sich kurz auf und schwamm
noch eine große Runde. Was ging schon über Sport im Freien? Kein Aerobic kam
daran heran, nicht einmal Yoga.
Zurück am Ufer ließ sie sich ins Gras sinken. Sie genoss die
Sonne, die sie nach und nach trocknete und wärmte, pure Lust. Vergessen brannte
sich in ihren Körper, den Todesfall vergessen, die Polizei, ihre Unruhe.
Stille, der flaschengrüne See. Dazu das üppige Grün von Wiesen und Wäldern. So
etwas einmal in einer Teetasse sehen! Das wäre es. Jetzt kam ein Grüppchen
deutscher Urlauber, sie unterhielten sich, natürlich lautstark, über Kaiserin
Sisi. Berenike kannte dieses Phänomen, die Leute brauchten eine prominente
Bezugsperson, um sich für etwas zu interessieren. Das war bei der Eventplanung
nicht anders gewesen. Was war sie froh, Krethi & Plethi nicht mehr mit dem
Einkauf klingender Namen anlocken zu müssen. Sie musste heute niemandem –
außer sich selbst und ihrem Bankkonto – Rechenschaft darüber ablegen,
warum sie am See in der Sonne lag, anstatt zu arbeiten. Das Leben bestand aus
mehr als nur aus Pflichten. Diese anerzogene Disziplin hatte sie letztlich nur
in den Wahnsinn getrieben, zumindest beinahe.
Sie überließ die Touristen sich selbst und schlug den
Arnethweg ein, vorbei an dem Häuschen, in dem die Hobby-Malerin Christl Kerry
gelebt hatte. Aber was war das? Die ›Via-Artis‹-Tafel leuchtete, mit glänzendem
schwarzen Stoff verhängt, in der Sonne. ›R.I.P. – Kulturfriedhof‹ stand da in
klumpiger weißer Farbe auf schwarzem Seidenstoff. Und darunter: ›Komitee zur
Rettung der lebenden Kunst‹. Berenike grinste. Originell und wahr, wer auch
immer dahintersteckte. Doch die Sache würde sicher noch einen Wirbel
verursachen …
Vor dem Würschtlstand auf dem heißen Asphalt der Hauptstraße
sonnte sich ein fauler schwarzer Kater. Die Kirchturmuhr zeigte bereits 11 Uhr.
Verdammt, so spät, und sie wollte noch zu
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