Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Berenike nüchtern darüber nachdenken. Stellte sich
noch die Frage, woher Donners Mörder das Gift beschafft hatte. Sie dachte an
alte Wehrmachtsdepots. Oder war doch der rumänische Geheimdienst im Spiel?
35
Tee erleuchtet den Verstand, schärft die
Sinne, verleiht Leichtigkeit und Energie und vertreibt Langeweile und Verdruss.
(Chinesisches Sprichwort)
»Hi, Mamitschka!«
»Wer spricht, bitte?« Alle Tische im Salon waren besetzt,
Maria Salgados spanische Songs verführten zum Träumen vom Meer. Jetzt läutete
auch noch das Telefon.
»Valerie!« Der Tonfall im Hörer war eindringlich.
»Valerie? Was für eine Valerie?« Berenike war unkonzentriert
vor lauter Müdigkeit. Seit 7 Uhr war sie wach, seit acht im Salon. An Schlaf
war nicht zu denken gewesen, nicht nur wegen der Hitze. Dabei hatte sie die
Schwester des Todes so sehr herbeigesehnt, die Göttin des Schlafes. Die
Büroarbeiten wuchsen ihr noch mehr über den Kopf, seit Susi vor ein paar Tagen
abgereist war.
»Moment.« Ein Flüstern. Es knackte in der Leitung. »Da, ja
sam. Berenike, wir haben recht gehabt, etwas geht hier vor.«
»Susi!« Natürlich war es Susi, wie konnte sie darauf
vergessen. Die Studentin hatte eine zündende Idee gehabt. Neben ihr spürte
Berenike das Alter wie eine riesige Bürde. Sie musste endlich wieder mit Madame
Montego reden, falls einmal Zeit blieb. Seit dem Fund der Knochen im See ging
es drunter und drüber. Nach dem Telefonat mit Shanna hatte Berenike sich mit
Susi beraten. Ihr Einfall schien zunächst total wahnsinnig und nicht
ungefährlich. Etwas schien sie zu reiten. Immer auf dem Weg zum nächsten
Abenteuer. So war sie früher selbst gewesen. Sah aus, als sei sie tatsächlich
genesen.
Nach einigem Hin und Her hatte Berenike mit verstellter
Stimme in Donners Wiener Anwaltskanzlei angerufen. Sie gab sich als engagierte
Mutter einer noch engagierteren ukrainischen Studentin aus. Berenike hatte den
Telefonhörer mehrmals in die Hand nehmen müssen, bevor sie sich zu dem Anruf
durchgerungen hatte. Das Gewicht des Telefons zog ihren Arm nach unten.
Berenike sah die grauen Gänge der Kanzlei wieder vor sich und roch jenen chemischen
Geruch, wahrscheinlich ein Putzmittel. Ein Mann in der Arbeitskleidung
irgendeiner Reinigungsfirma war ihr damals begegnet. Hoffentlich erinnerte sich
niemand an sie und jenen Vorfall. Sie ahmte einen leichten Akzent nach und
behauptete, sie und ihre Tochter Valerie seien extra aus ihrem Dorf angereist,
weil sie so viel Gutes über Donners Engagement gehört hatten. Es sei für die
Tochter eine Ehre, in Donners Kanzlei ein Praktikum machen zu können. Natürlich
unbezahlt. Der Einfall war gut, niemand würde bis in die Ukraine
Nachforschungen anstellen.
»Was, Herrrrr Donnerrrr lebt nicht mehr?«, hatte sie bestürzt
gemurmelt. Umgehend konnte Susi alias Valerie in der Sozietät Donner, Recher,
Steiner in der Wagramer Straße beginnen. Ein Praktikant war wegen des Mordes
abgesprungen, was wollte man mehr. Doch weshalb nahm Susi jetzt das Risiko in
Kauf, im Salon anzurufen und womöglich enttarnt zu werden?
Berenike erhob sich. Das Handy klebte heiß am Ohr. Sie sah
Sepp hereinkommen, seine allgegenwärtige Pappschachtel unter dem Arm. Berenike
winkte ihm zu. ›Columbiana‹, sang Maria Salgado.
»Mamuschka, hör zu …«
Berenike wischte sich den Schweiß von der Stirn. Eine Qual,
nicht im Freien zu sein. Das hätte sie sich nicht gedacht, sie verbrachte mit
dem Salon genauso viel Zeit indoors wie früher in der Agentur. »Wie läuft es,
Susi?«, rang sie sich zu einer Frage durch.
»Es geht, Doktor Steiner fordert mich, ich komme kaum zu
unseren Nachforschungen. Was ich sagen will, diese Sekretärin, Frau Schauer
heißt sie, du, die benimmt sich seltsam. So ein Mannsbild war da, mit dem hat
sie geflüstert. Stämmig hat der ausgesehen. Ich hab mitbekommen, dass sie
irgendwelche Papiere suchen. Was immer es ist, sie sind verschollen. Die
Schauer hat gesagt, sie beauftragt einen Computerspezialisten. Die Haare von
dem Besucher hättest du sehen müssen. Grellorange! Der Typ wirkte trotz seiner
eindrucksvollen Gestalt weibisch. Ich werde das weiter beobachten.«
»Susi, toll von dir, dass du dich so einsetzt.« Berenike
schielte nach dem Computer, warf einen Blick in den Teesalon. Sie sollte an
allen Stellen gleichzeitig sein und hing doch am Telefon fest.
»Danke. Es gibt noch eine Sache, über die ich mit dir
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