Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
damals kaum jemand eine Zukunft gesehen.«
»Frau Haim ist gleich nach dem Krieg gestorben. Um das Haus
des Ehepaars Haim hat sich keiner gekümmert.«
»Und wo steht es? Wem gehört es?«
»Keine Ahnung. Das ist das Nächste, was wir herausfinden
müssen. Und dann ist da noch etwas – die Knochen aus dem See. Das Loch im
Schädel – es wurde als Schussverletzung identifiziert. Genickschuss. Die
Knochen sind nicht allzu lang im Wasser gelegen. Wer immer das Opfer war, es
ist keines natürlichen Todes gestorben. Aber wir müssen die DNA-Untersuchung
abwarten. Wir hoffen, dass Haims Erben einer Vergleichsuntersuchung zustimmen.«
»Und die Rumänen? Was ist mit denen?«
»Woher weißt du von ihnen?«
»Frau Gasperl hat mit Kain …«
»Ach, lass mich mit dem in Ruh …«
Berenike blieb reglos sitzen, nachdem sie sich
von Jonas verabschiedet hatte. Was sollte das jetzt? Wieso gab er ihr diese
Informationen?
Sie stützte den Kopf in
die Hände, dann richtete sie sich ruckartig auf. Über all dies musste sie ein
anderes Mal nachdenken. Jetzt galt es zunächst, eine Jacht aufzutreiben. Sie
mochte sich gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn es ihr nicht gelang.
Sie beschloss, türkischen Tee zuzubereiten, schaltete den Samowar ein. Sie
würde starken Tee aus türkischen Teeblättern, dem Rize Çay, zubereiten. Die
Gäste würden sich an seiner Intensität nicht stören, weil sie ihn nach eigenem
Geschmack mit heißem Wasser verdünnen konnten.
38
Glückstee
Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht mit
diesem Auftritt!
Endlich war der Morgen des Narzissenfestes da. Die Tage seit
Balescus Auftrag waren wie im Flug vergangen. Es war keine Zeit geblieben, viel
über die Morde nachzudenken. Berenike betrachtete prüfend ihr neues
Geschäftsschild. ›Salon für Tee und Literatur‹ stand da in roten Buchstaben auf
sanftgrünem Grund. Darunter, kleiner: ›Eigentümerin Berenike Roither‹. Stolz
erfüllte sie, doch auch eine gewisse Unruhe. Wegen Herrn Balescu.
Seit Stunden war sie auf den Beinen, ganz Aussee war eine
einzige große Party. Die Kinder hatten ihr Mai-Singen absolviert, die
Narzissenhoheiten waren gewählt worden. Hunderte Bierfässer waren vorbereitet,
sämtliche Gästebetten vergeben. Positives Feng-Shui überall.
Jede Menge Gäste bummelten durch den Ort. Ein leichter
Wind kam auf, Wolken zogen über den Loser herein. Schatten legte sich über die
Straße. Die Linde raschelte mit ihren Blättern. Berenike zog ihr Halstuch
enger, sie fröstelte, wahrscheinlich von der Aufregung. Ihr erstes
Narzissenfest, und gleich ein großer Auftrag. Sie hoffte, die Wünsche ihrer
rumänischen Gäste mehr als zufriedenzustellen. Zum Glück hatte Helena ihr einen
Tipp gegeben, und so hatte sie über sieben Ecken doch noch eine Jacht
aufgetrieben. Dem Besitzer, einem gut betuchten älteren Herrn namens Andreas
Simon, ging das Blumenspektakel am Arsch vorbei, so hatte es zumindest sein
Urgroßcousin ausgedrückt (wenn sie den Verwandtschaftsgrad richtig
rekapitulierte). Der alte Mann, Jäger aus Passion, kreuzte gern mit diversen
Damen über die Seen des Salzkammerguts, um dann stilvoll im Brahmscafé oder
sonst wo auf Kaffee und Kuchen einzukehren. Man verknöchere nicht überall,
zitierte ihn Simon junior. Aber an diesem Tag war eine Anwesenheit im
Ausseerland kein Thema für den Senior. ›Wie ich den Geruch der Narzisse hasse!
Die widerlichste Blume überhaupt‹, habe der Alte geschimpft.
Die Jacht lag den ganzen Sommer am Grundlsee, sie war vom
jungen Simon hertransportiert worden. Der Senior war rechtzeitig nach Ischia
abgereist. Dort verdiene der Frühling seinen Namen, ließ er ausrichten. Er
wünsche dem Narzissenfest arschkaltes Scheißwetter, wie es oft eingetreten sei.
Schnapsidee, ein Frühlingsfest in diesem Wetterloch. Kannten die Ausseer ihr
eigenes Klima nicht? Waren sie auf Drogen oder was? Nur weil das Fest bereits
Jahrzehnte stattfinde, sei es nicht automatisch zur guten Idee mutiert. Und
damit habe sich der alte Herr verabschiedet. Simon junior hatte sich gegen ein
ordentliches Honorar bereiterklärt, die Jacht in Kapitänskleidung zu steuern.
Berenike hatte das Boot für die vornehmen Gäste in einen
Traum aus 1001 Nacht verwandelt. Teppiche, Polster und Liegestühle waren
vorhanden, um es sich bequem zu machen. Das silberne Teegeschirr stand zusammen
mit dem Samowar an Bord bereit. Sie hatte edelste grüne Blatttees
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