Schwarztee - Tatort-Salzkammergut Krimi
Limbat, guten
Tag?«
»Guten Tag, hier spricht Roither aus Altaussee.«
»Ich begrüße Sie sehr herzlich, Frau Roither, was kann ich
für Sie tun?« Die Frauenstimme hörte sich gut geölt an.
»Ich möchte ein Boot leihen, mein Kunde hat höchste
Ansprüche. Ihr Modell Elaine scheint mir eine interessante Wahl. Können Sie die
Jacht empfehlen?«
»Die Elaine ist unser Schmuckstück, sie wird von gekrönten
Häuptern aus ganz Europa geliebt. Für wann benötigen Sie die Jacht?«
»Zum Narzissenfest. Mein Kunde …«
»Ich bedaure sehr, Frau Roither, zur Zeit des Bootskorsos ist
die Elaine schon lange vergeben.«
»Aber ein wichtiger Kunde …«
»Es tut mir wahnsinnig leid, Frau Roither.«
»Vielleicht ein anderes Boot? Ein kleineres?«
»Wir haben für diesen Tag keine einzige Jacht mehr zur
Verfügung.«
Berenike beendete das Telefonat. Das war nun der fünfte
Jacht-Verleih, bei dem sie erfolglos angerufen hatte. Mutlos biss sie in ihr
Brot, die Zähne hinterließen einen gezackten Abdruck. Sie hatte nicht ahnen
können, wie schwierig es war, einen Kahn aufzutreiben. Es war zum
Aus-der-Haut-Fahren, wenn dieser lukrative Auftrag wegen eines lächerlichen
Details zum Scheitern verurteilt wäre. Sie schob den Brotbrei im Mund herum.
Das Telefonklingeln unterbrach ihre Gedanken.
»Berenike, servus!«
»Hallo – Jonas, bist du das?«
»Berenike – Nike – es ist für mich riskant, aber
ich möchte mit dir über eine Sache sprechen. Die Ermittlungen …«
»Ja?«
»Mein Chef würde mich erwürgen, der alte Jäger. Aber
ich – vielleicht kannst du zur Lösung beitragen.«
Berenike zog den Löffel aus der Marmelade und schleckte ihn
schläfrig ab. Sie schmeckte die Heidelbeeren auf der Zunge. Und hatte Lust auf
ein Glas Tee.
»Also, ich möchte gern deine Einschätzung hören …«
Die Auflösung, hoffentlich. Das würde vieles leichter machen.
Zusammenhanglos erinnerte sich ihre Nase an den Duft seiner Haut. Ein wenig
Lavendel, sonst nichts. Nur Haut. Jonas-Haut. Sie schloss die Augen und
berührte mit den Lippen ihren nackten Unterarm. Augen zu und durch. Die Worte
mussten gesprochen werden. Sie würden schmerzen, würden ihr Inneres
zerschneiden.
»Wir haben Rabensteins Arbeitstagebuch gefunden, es befand
sich im geheimen Tresor von Donner. Rabenstein hat die Informationen auf
mehrere Datenträger aufgeteilt und alles verschlüsselt. Wir haben Spezialisten
vom Heeresnachrichtendienst um Hilfe bitten müssen.«
»Wahnsinn! Ihr habt Haims Geschichte?« Berenike schob das
Marmeladeglas beiseite. Zog einen Block unter den Papieren hervor. Nahm einen
Bleistift zur Hand. Malte Kreise, Achterschleifen. Die Unendlichkeit. Panta
rhei.
»Und, wie ging Haims Leben weiter?«
»Genau darüber möchte ich mit dir sprechen. Haim hat, nach
der Flucht aus dem KZ«, Berenike hörte Papierrascheln, »einen Freund in
Traunkirchen aufgesucht, jemanden aus dem Widerstand. Es war immer wieder von
Partisanen im Toten Gebirge die Rede. Hauptsächlich Soldaten, die nicht an die
Front wollten.«
»Ich hab davon gelesen, ja.«
»Haim und sein Freund haben sich im Wald getroffen.
Rabenstein hat nicht erfahren, was er mit dem Freund besprochen hat. Der
Journalist hat sich Informationen von den in den USA lebenden Verwandten
erhofft. Er hat spekuliert, dass man gefangenen Widerstandskämpfern zur Flucht
verhelfen wollte. Haim ist von einem Außenkommando nicht mehr ins Lager nach
Ebensee zurückgekehrt. Seine Flucht grenzt an ein Wunder, meinst du nicht?«
»Im Frühjahr 45 war alles in Auflösung begriffen.«
»Aber die Todesmärsche?«
»Manch ein Aufseher hat vielleicht nicht mehr so genau
hingesehen. Um sich zu retten.«
»Wie auch immer. Haim wurde nochmals gesehen.«
»Noch einmal? Nach Traunkirchen?«
»Ja, am Toplitzsee.«
»Am Toplitzsee? Aber …«
»Dort befand sich eine Marineversuchsstation, militärisches
Sperrgebiet. Genau.«
»Soweit ich weiß, haben da Kriegsgefangene geschuftet.«
»Hat man dort überhaupt hingelangen können? War nicht alles
abgesperrt und mit Posten gesichert?«
»Haim hat wahrscheinlich die Schleichwege gekannt. Er ist
hier zu Hause gewesen, vergiss das nicht.«
»Stimmt. Man hat Haims Frau aus ihrem Haus vertrieben, hat
Rabenstein erfahren. Ein SS-ler hat es sich unter den Nagel gerissen. Hermine
Haim hat bei ihrer Schwester Unterschlupf gefunden. Diese ist später in die USA
ausgewandert.«
»In Österreich hat
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